# taz.de -- heute in hamburg: „Kreativität wird uns abtrainiert“ | |
Interview Lena Toschke | |
taz: Frau Wistuba, ist Kreativität trainierbar? | |
Bettina Wistuba: Kreativität bedeutet ja im Prinzip, Ideen zu haben, | |
dahinter verbirgt sich eine offene Denkweise. Es geht darum, neugierig zu | |
sein und sich von Glaubenssätzen zu verabschieden, neue Lösungsansätze zu | |
finden. Das ist durchaus trainierbar. | |
Also ist Kreativität kein Charaktermerkmal? | |
Es gibt so viele Menschen, die sagen: „Ich bin überhaupt nicht kreativ!“ | |
Dabei wird uns das im Schulsystem oft einfach abtrainiert. Dazu gibt es | |
eine interessante Untersuchung von George Land, die gezeigt hat, dass wir | |
Menschen im Grunde kreativ sind, das Bildungssystem diese Eigenschaft aber | |
abgeschwächt. Der Studie zufolge waren 98 Prozent der Fünfjährigen kreativ, | |
im Gegensatz zu zwei Prozent der Erwachsenen. Aber man muss Kreativität | |
natürlich auch aushalten können. | |
Was meinen Sie damit? | |
Na ja, die sichere Bank ist das natürlich nie. Zugleich ist man durch | |
Kreativität zu einer flexibleren Lebensweise in der Lage, da ist natürlich | |
auch ganz viel Achtsamkeit dabei. | |
Ist das nicht auch ein bisschen spirituell? | |
Ist man kreativ, schaut man gerne über den Tellerrand und wird eventuell | |
auch offener für eine spirituelle Sichtweise auf manche Dinge. Ich glaube, | |
das liegt aber in der Natur der Sache: Allein durch eine rationale | |
Denkweise kann ich nicht kreativ sein. Ich brauche Intuition und Erfahrung, | |
und die muss ich auch zulassen, sonst funktioniert das Ganze nicht. | |
Wieso bieten Sie Upcycling-Kurse an? | |
Upcycling ist nicht einfach nur das Basteln mit Verbrauchsmaterialien, | |
sondern beinhaltet auch eine kreative Denkweise: Es geht darum, frei zu | |
experimentieren und auch den anderen gegenüber neugierig zu sein. Das | |
Material spielt da auch eine große Rolle, natürlich auch, um ein | |
Bewusstsein für die Umwelt zu entwickeln. | |
Kann man damit viel bewirken? | |
Nicht direkt, aber indirekt. Wenn ich ein anderes Bewusstsein für die Dinge | |
entwickle, die mich umgeben, werde ich vielleicht auch meine Lebensweise | |
ändern. Ich mache bei meinen Workshops zum Beispiel auf den | |
Materialverbrauch aufmerksam: Wenn ich jetzt eine Dose mit Acryl anmale, | |
muss die später in den Sondermüll und kann nicht mehr recycelt werden. Und | |
unsere Hoffnung ist, dass wir den Samen dafür säen, dass die Menschen ihre | |
Erkenntnisse auch in größeren Kreisen teilen. | |
2 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Lena Toschke | |
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