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# taz.de -- Einzelzimmer vermisst
> Die Unterbringungssituation wohnungsloser Menschen mit psychischen
> Erkrankungen weist deutliche Lücken auf. 159 Menschen warten derzeit auf
> einen Rückzugsort
Bild: In Hamburg Mangelware: Einzelzimmer für wohnungslose Menschen mit psychi…
Von Lena Toschke
Der Belegungsdruck in den öffentlichen Wohneinrichtungen ist hoch und er
wächst stetig. Allein von 2015 bis 2019 hat sich die Zahl der Menschen, die
in städtischen Unterkünften untergebracht sind, auf knapp 30.000
verdoppelt. Unter ihnen sind auch Menschen mit psychischen Erkrankungen,
denen eine Unterbringung nach ärztlicher Begutachtung zusteht. Hier weist
das System Lücken auf: Derzeit warten 159 Betroffene auf ein Einzelzimmer.
Selbst mit ärztlichem Attest müssten die Menschen viel zu lange warten,
sagt Stephanie Rose, sozialpolitische Sprecherin der Linken. „In der
Realität sind es vermutlich noch deutlich mehr, denn diejenigen, die nicht
in die städtischen Unterkünfte gehen und auf der Straße leben, werden
demnach nicht erfasst.“ Sie fordert, das Angebot dringend auszubauen, zum
Beispiel durch die Unterbringung in Hotels.
Auf Antrag der Regierungskoalition hatte die Bürgerschaft bereits im Januar
beschlossen, die Einzelunterbringung für obdachlose Menschen mit
psychischen Erkrankungen auszuweiten. „Einsparungen in der
Hotelunterbringung sollten genutzt werden, um das Angebot für psychisch
kranke Menschen zu verbessern“, sagt Rose. Seitdem ist nicht viel passiert.
Dabei seien Menschen ohne Obdach gerade in Coronazeiten einem erheblichen
Risiko ausgesetzt. „Insbesondere im Hinblick auf psychisch Kranke müssen
mehr Einzelzimmer geschaffen oder Hotels für diese besonders vulnerable
Gruppe angemietet werden, um sie so vor den Gefahren der Obdachlosigkeit zu
schützen“, sagt Rose.
Einen entsprechenden Antrag hierzu hatte sie – gemeinsam mit anderen
Abgeordneten – bereits im April gestellt, nun folgte eine Kleine Anfrage,
in der sie die Unterbringungssituation erneut thematisierte. Inwieweit die
Bürgerschaft ihren Beschluss aus dem Januar bisher umgesetzt hat und mit
welchen Trägern sie bezüglich der Situation psychisch kranker Menschen im
Gespräch sei, ging aus der Antwort des Senats allerdings nicht hervor. Auch
dazu, ob analog zu dem Projekt „Hotel plus“ in Köln auch in Hamburg ein
Projekt zur Unterbringung von obdachlosen Menschen mit psychischen
Erkrankungen geplant sei, äußerte sich der Senat nicht. Die Sozialbehörde
sagte auf Anfrage der taz, sie habe nichts hinzuzufügen.
Schon länger lehnt es die Sozialbehörde ab, Hotels anzumieten und
obdachlosen Menschen zur Verfügung zu stellen. Der Grund: Betreuung und
medizinische Versorgung seien an dezentralen Orten nicht gewährleistet,
sagte der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helfrich, der taz Ende April.
Wenige Wochen zuvor war in Hamburg die Initiative „Open the Hotels“, ein
Hilfsprogramm für Obdachlose, ins Leben gerufen worden. Durch die
Zusammenarbeit der Tagesstätte Alimaus, dem Obdachlosenmagazin Hinz&Kunzt
und der Caritas initiiert und gefördert durch die Reemtsma
Cigarettenfabriken GmbH, koordinierte die Diakonie Hamburg die
Unterbringung von 170 Obdachlosen. Ende Juni lief das Projekt aus.
Julien Thiele, Sozialarbeiter bei der Caritas, zufolge war die Resonanz bei
den Beteiligten durchweg positiv: „Wir brauchten keine Security, die
Betroffenen haben sich gegenseitig unterstützt und sind gleichzeitig
selbstständiger geworden.“ Er hofft, dass es in Zukunft mehr Vorstöße
seitens der Politik gibt, um die Situation von psychisch kranken Menschen
ohne Obdach zu verbessern.
„Wir brauchen eine kurzfristige Lösung für Menschen mit psychischen
Problemen, langfristig fordern wir natürlich Housing First“, sagt auch
Rose. Housing First ist ein Gegenmodell zum bisherigen System, in dem
Menschen ohne Obdach ja erst zeigen müssen, dass sie „wohnfähig“ sind, al…
beispielsweise nicht mehr trinken, und erst dann einen Rückzugsort
erhalten. Die Initiative „Open the Hotels“ hat gezeigt: Es geht auch
andersherum.
2 Sep 2020
## AUTOREN
Lena Toschke
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