# taz.de -- heute in hamburg: „Man darf seinen neutralen Blick nicht verliere… | |
Interview Deborah Kircheis | |
taz: Herr Wieneke, Sie sind Abschiebebeobachter. Würden Sie manchmal gerne | |
eingreifen? | |
Felix Wieneke: Einmal hat eine Polizistin ein Kind aufgefordert, seine | |
Mutter zum Mitmachen zu bewegen. Sie sagte dem Kind: „Wenn ihr nicht | |
mitmacht, bekommt ihr hier nichts mehr zu essen und zu trinken.“ Das war | |
ein Moment, in dem ich gern eingeschritten wäre. Aber ich muss die | |
Situation mit den Vorgesetzten der handelnden Personen besprechen. | |
Was sind die größten Herausforderungen? | |
Zum einen passiert in diesen Situationen am Flughafen oft wahnsinnig viel | |
gleichzeitig. Es ist schwer, die Situation allein zu überblicken. Und dann | |
darf man seinen neutralen Blick nicht verlieren. Es ist wichtig, zu prüfen, | |
ob alles nach den geltenden Bestimmungen abläuft. Das darf man nicht mit | |
persönlichen Einstellungen vermischen. Selbst wenn mir jemand total | |
leidtut. | |
Erleben Sie in diesen Situationen auch Polizeigewalt? | |
Wenn ein Ziel mit anderen Mitteln nicht erreicht werden kann, ist die | |
Polizei dazu aufgefordert, es mit Gewalt durchzusetzen. Ich habe keine | |
unverhältnismäßige Polizeigewalt erlebt, aber trotzdem erlebe ich Gewalt, | |
weil die Polizei dazu aufgefordert ist. | |
Gab es Momente, in denen Sie sich nicht in der Lage gefühlt haben, die | |
Beobachtungen fortzuführen? | |
Ja. 2018 kam es zu der Abschiebung eines Mannes, der schwer krank war und | |
so unter den Maßnahmen gelitten hat, dass meiner Meinung nach eine rote | |
Linie überschritten wurde. Ich dachte, so was kann ich nicht miterleben. | |
Werden Sie in solchen Momenten unterstützt? | |
Ich habe die ganze Zeit das Angebot einer Supervision wahrgenommen. Es geht | |
darum, Erlebnisse zu verarbeiten und zu prüfen, ob man seine Rolle noch | |
ausfüllen kann und ob sie sinnvoll für einen selbst, die Betroffenen und | |
die Organisation ist. Aber vor allem das Team der Diakonie hat mich immer | |
unterstützt. | |
Wann endet das Projekt? | |
Formal am 31. Dezember 2020. | |
Und dann? | |
Es wird ein Anschlussprojekt geben. Im neuen Koalitionsvertrag ist | |
festgehalten, dass es weitergeführt und auch finanziert wird. Es ist | |
wichtig, dass dieser Bereich, der sonst nicht für die Zivilgesellschaft | |
einsehbar ist, eine Kontrolle bekommt. | |
31 Aug 2020 | |
## AUTOREN | |
Deborah Kircheis | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |