| # taz.de -- Vom Hass auf die Liebe | |
| > „Fluchtursache: Liebe“: Eine Ausstellung im Hamburger Auswanderermuseum | |
| > Ballinstadt beschäftigt sich mit der Verfolgung von Menschen wegen ihrer | |
| > sexuellen Orientierung | |
| Bild: Die Geflüchteten zu Wort kommen lassen: Die Ausstellung setzt auf eindri… | |
| Von Maike Krob | |
| Es sind eindringliche Geschichten von Verfolgung, Flucht und dem Neubeginn | |
| in einem anderen Land, die das Münchner Projekt „Rainbow Refugees Stories“ | |
| zusammengetragen hat. Geschichten von 27 LGBT*-Geflüchteten stellt es auf | |
| seiner Internetseite vor, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder | |
| Identität verfolgt wurden. Einmal wöchentlich treffen sich die | |
| Regenbogen-Geflüchteten in einem Münchner Café. Die meisten von ihnen | |
| warten auf den Bescheid, ob ihr Fluchtgrund anerkannt wird und sie | |
| hierbleiben dürfen – oder ob sie zurückmüssen dorthin, wo sie abgelehnt | |
| werden, wo ihnen nicht selten Gefängnis, Folter und der Tod droht. | |
| Acht der Regenbogen-Flucht-Geschichten sind nun auch ein Teil der | |
| Ausstellung „Fluchtursache: Liebe“, die noch bis Ende Oktober in zwei | |
| Räumen des Auswanderermuseums Ballinstadt in Hamburg deutlich macht, dass | |
| auch heute noch weltweit Menschen flüchten müssen, weil sie einen anderen | |
| Menschen lieben. | |
| Eine von ihnen ist Kehinde A. aus Nigeria. Sie merkte früh, dass sie | |
| lesbisch ist, mit 13 küsste sie das erste Mal ein Mädchen. Fünf Jahre | |
| später erwischte eine Freundin der Mutter sie beim Sex mit einer Frau – 14 | |
| Jahre Gefängnis stehen darauf in Nigeria. Die Mutter lässt ihre Tochter | |
| fesseln und ans Militär ausliefern, wo Soldaten ihr mit einem heißen | |
| Bügeleisen das Lesbischsein auszubrennen versuchen. Anschließend sperrte | |
| die Mutter Kehinde A. monatelang ein. Sie sah keine andere Möglichkeit mehr | |
| als die Flucht. Doch sie geriet an eine „Reisevermittlerin“, die sie an | |
| einen Menschenhändlerring auslieferte, der sie zur Prostitution zwang. | |
| Jetzt lebt sie nach der traumatischen Flucht mit ihrem jungen Sohn in | |
| Deutschland. | |
| ## Weltweit ein Problem | |
| Von Mohammed B. ist ein Zitat auf den Boden projiziert: „Ich hasse meine | |
| Familie nicht. Auch wenn sie mich verletzt haben, sie sind immer noch meine | |
| Familie.“ B. musste aus Kuwait nach München fliehen. Seine Familie hatte | |
| ihn in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, wo ihm sein Schwulsein wie | |
| eine Krankheit unter anderem durch Tabletten ausgetrieben werden sollte. | |
| Wie vielen Menschen es weltweit ähnlich geht wie Kehinde A. und Mohammed | |
| B., macht eine fett auf ein Plakat gedruckte „68“ deutlich: In so vielen | |
| UN-Mitgliedsstaaten sind einvernehmliche homosexuelle Aktivitäten heute | |
| illegal. Viele islamisch und patriarchisch geprägte Länder seien darunter, | |
| sagt Torben Knye, Politikwissenschaftler und Kurator der Ausstellung. Aber | |
| auch in Polen, Russland, Ungarn oder der Türkei „soll es vorgekommen sein, | |
| dass von der Polizei nichts unternommen wird, wenn jemand einen Schwulen | |
| zusammenschlägt“, sagt Knye. | |
| Dort sei es zwar gesetzlich erlaubt, seine Sexualität frei zu leben. Aber, | |
| betont Knye, es gebe auch eine „Ebene jenseits des Gesetzes“: Polen zum | |
| Beispiel sei Mitglied der EU, aber dort gebe es „Gemeinden oder | |
| Landstriche, die stolz verkünden, dass sie LGBTI*-freie Zone sind“. | |
| Aufgebaut ist die Ausstellung in drei Kapiteln. Der erste Teil widmet sich | |
| als Prolog der Freiheit und den Menschenrechten: „Überlegen Sie kurz, was | |
| bedeutet Freiheit für Sie?“, fordert da zum Beispiel ein Plakat zu Beginn | |
| auf, dahinter ist auf die Stellwand ein blauer Himmel voller Wolken | |
| tapeziert. Im ersten Raum dann flackert auf einem Bildschirm ein Zitat | |
| Abraham Lincolns auf: „Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie | |
| nicht für sich selbst.“ Das Grundgesetz und die Allgemeine Erklärung der | |
| Menschenrechte liegen auf Sockeln, wer möchte, kann darin lesen. Plakate | |
| verweisen auf die Pressefreiheit, die Freiheit der Lehre und die politische | |
| Freiheit. | |
| Abgegrenzt mit einem Klebeband auf dem Boden – „Achtung! Freiheit | |
| eingeschränkt | Freedom restricted“ – beginnt der Hauptteil der | |
| Ausstellung. Verschiedene Holzkästen hängen dort. In einem sind zwei | |
| gefaltete Holzhände in Handschellen zu sehen, darüber steht: „Verfolgung“; | |
| über einem Schlagstock in einem anderen steht „Gewalt“; in einem dritten | |
| Kasten hängt eine Zwangsjacke – Symbole für die Unterdrückung und | |
| Verfolgung von LGBTI*, erklärt Knye. | |
| ## Unsichere Aussichten | |
| Infos neben den Kästen geben den Symbolen einen Kontext. Dass die | |
| Bundesärztekammer im Mai 2014 die „fachliche Meinung“ vertrat, dass | |
| Homosexualität „keine Erkrankung“ sei und „keiner Heilung“ bedürfe, e… | |
| man da etwa. Aber auch, dass „Praktiken der Scharlatanerie“, etwa | |
| „Dämonenaustreibungen“ durch katholische Priester, in Deutschland erst seit | |
| kurzem strafbar sind. | |
| Und man erfährt, dass die Flucht mit der Ankunft in Deutschland noch nicht | |
| vorbei ist: Es sei sehr schwer „zu beweisen, dass man auf Grund der | |
| Sexualität verfolgt wird“, sagt Knye. Auch gebe es keine offiziellen Zahlen | |
| des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge: „Ich kann keine statistische | |
| Aussage machen, wie viele Menschen aufgrund der sexuellen Orientierung Asyl | |
| beantragt haben und dabei erfolgreich waren“. | |
| Am Ende der Ausstellung steht denn auch wieder eine Begrüßung – und eine | |
| Frage zugleich: „Willkommen in der Freiheit?!“ | |
| „Fluchtursache: Liebe“: bis 31. Oktober, Hamburg, Auswanderermuseum | |
| Ballinstadt | |
| 29 Jul 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Maike Krob | |
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