# taz.de -- heute in hamburg: „Sucht ist nichts, wofür man sich schämen mus… | |
Interview Laura Strübbe | |
taz: Herr Schlosser, 1.398 Menschen sind im vergangenen Jahr in Deutschland | |
durch den Konsum illegaler Drogen gestorben. Wird das gesellschaftlich | |
reflektiert? | |
Marc Schlosser: Die Zahl kommt in der Gesellschaft an. Die Probleme, die | |
daran knüpfen, aber nicht. Einzelschicksale werden ausgeblendet und dadurch | |
kann das Gesamtbild gar nicht wahrgenommen werden. Nicht einmal dieser | |
Gedenktag kann daran etwas ändern. | |
In wie vielen Fällen wäre ein Drogentod vermeidbar gewesen? | |
Wahrscheinlich in den meisten Fällen. Ich kann die Beweggründe derer, die | |
exzessiv Drogen konsumieren, gut nachvollziehen. Aus meiner Erfahrung wäre | |
den meisten mit Aufklärung geholfen. Ich als Ex-Junkie habe damals viel zu | |
spät von solchen Hilfsprogrammen erfahren und deshalb viel zu lange | |
gelitten. Es braucht mehr ehrliche Aufklärung und wesentlich mehr Geld für | |
unterstützende Einrichtungen. | |
Obgleich noch niemand an einer Überdosis THC gestorben ist, veranstaltet | |
Ihre Hamburger Ortsgruppe des Hanfverbands eine Mahnwache zum Gedenken an | |
Drogentote. Wie passt das zusammen? | |
Wir sind lange verfolgt worden und werden es immer noch. Und auch wenn kein | |
Cannabis-Konsument stirbt, so haben wir doch mit den gleichen | |
gesellschaftlichen Problemen zu kämpfen. Wir verstehen, was es heißt von | |
der Gesellschaft im Stich gelassen zu werden. Aber Drogensucht ist nichts, | |
wofür man sich schämen muss. | |
Sie fordern neben sozialer und medizinischer Hilfe heute auch ein, dass | |
Wohnen als Menschenrecht wahrgenommen wird. | |
Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, dass eine Notwendigkeit darin besteht, | |
den Menschen schnellstmöglich zu helfen – mit Wohnprogramm und Medikamenten | |
für zu Hause. Die meisten haben diese neuen Privilegien nicht missbraucht. | |
Es besteht Handlungsbedarf und das auch über die Krise hinaus. | |
Könnte eine liberalere Drogenpolitik etwas daran ändern, dass | |
Drogenkonsument*innen nicht mehr von der Gesellschaft verstoßen werden? | |
Die Strafverfolgung ist das schrecklichste Mittel, um jemanden zu einem | |
Entzug zu zwingen. Keine Institution kann von außen anregen, dass in meinen | |
Kopf der Groschen fällt und ich begreife, ein Entzug ist nötig. Erst einmal | |
muss eine Vertrauensbasis zur Gesellschaft wieder aufgebaut werden. Wenn | |
man nicht glaubt, dass man Hilfe bekommt, warum sollte man sie sich dann | |
holen? | |
21 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Laura Strübbe | |
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