# taz.de -- heute in hamburg: „Gewalt ist eine Folge von Überlastung“ | |
Interview Maike Krob | |
taz: Herr Ganß, wie erklärt man einem dementen Angehörigen Corona? | |
Michael Ganß: Das ist sehr schwierig. Es kommt darauf an in welchem Stadium | |
der Demenz die betroffenen Person ist. Wenn das rationale Verstehen nicht | |
mehr da ist, kann ein Schlüsselwort das vergangene Wissen aufschließen. | |
Dann kann es sein, dass sie es in diesem Moment sogar verstehen. Aber das | |
wird dann wegrutschen und dann verstehen sie nicht mehr, warum ein | |
Angehöriger beim Besuch im Pflegeheim eine Maske auf hat. | |
Und dann? | |
Man kann es dann nicht mehr gut erklären. Das einzige, was hilft, ist immer | |
wieder liebevoll und zugewandt zu erklären, dass dies notwendig ist. Und | |
nicht zu verzweifeln in der Wiederholung. | |
Welche Gefahren können durch überlastete Angehörige entstehen? | |
Überlastete Angehörige neigen dazu, gereizt zu sein und damit auch | |
ungehalten. Dadurch kommt es schneller zu Eskalationen von aggressiven | |
Situationen. Gewalt ist eine Folge von Überlastung. Bis auf Ausnahmen gibt | |
es keine Übergriffe gegen Menschen mit Demenz aus Boshaftigkeit, sondern | |
aus der Verzweiflung heraus. | |
Wie hilft Kunsttherapie gegen Verzweiflung? | |
Sie hilft dabei, daran zu arbeiten, die Krise zu akzeptieren, in der man | |
steckt. Sie ist verbunden mit ganz viel Trauerarbeit und Abschiednahme über | |
einen sehr langen Zeitraum. Angehörige empfinden immer wieder auch Wut. Es | |
kann helfen, ihr Raum zu geben und zwar auf einer Ebene, wo sie sein darf. | |
Angehörige können andere Formen der Kommunikation finden als die Sprache. | |
Welche? | |
Es geht um gestalterische Techniken, die niederschwellig sind. Es kann die | |
Malerei sein, aber man kann auch Arrangements machen, Installationen, | |
zusammen tanzen oder musizieren. Ich arbeite intermedial, mit allen Medien. | |
Gemeinsam schaut man, was Freude machen könnte. | |
Inwiefern hilft das? | |
Wir versuchen, die Menschen zu öffnen – und zwar über die | |
Auseinandersetzung mit dem Material. Wenn Gedanken zum Beispiel in ein Bild | |
übertragen werden, findet eine Transformation statt. Bei der Übertragung in | |
ein anderes Medium gibt es immer auch einen Prozess des Bewusstwerdens. Und | |
dann geht es darum zu entdecken, welche Strategie dem Angehörigen hilft, | |
zur Ruhe zu kommen. | |
15 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Maike Krob | |
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