# taz.de -- heute in hamburg: „Ein Comeback des Staates als Akteur“ | |
Interview Michelle Bauermeister | |
taz: Herr Ernst, wie wurde die Corona- zur Wirtschaftskrise? | |
Christoph Ernst: Über vier Schocks. Erstens: Der Angebotsschock, der sich | |
im Lockdown verstärkt hat, weil viele Unternehmen nicht mehr produzieren | |
konnten. Dann der Nachfrageschock, als klar wurde, dass Konsument*innen die | |
Nachfrage nach Gütern massiv einschränken. Verschärft wurde das im März | |
durch einen Finanzschock, weil Finanzinstitute Kreditvergaben drastisch | |
einschränken. Viertens: Der Reproduktionsarbeitsschock. Die Kinder sind zu | |
Hause, die Erwachsenen müssen arbeiten. In riesigem Maße wurde da | |
gesellschaftliche Arbeit umgelagert. Das wird aber von der | |
Mainstream-Ökonomie nicht als Teil der Wirtschaft realisiert. Diese Schocks | |
haben zusammengewirkt und aus der Gesundheits- eine Kapitalismuskrise | |
gemacht. | |
Welche wirtschaftspolitischen Debatten und Forderungen sind aktuell | |
präsent? | |
Es gibt ein Comeback des Staates als Akteur. Es werden Rettungsprogramme | |
aufgelegt und diese Programme werden auch von neoliberaler Seite begrüßt. | |
Ist das das Ende des Neoliberalismus? Darüber gibt es gerade eine große | |
Debatte innerhalb kritischer linker Kreise. | |
Ist die Krise eine Chance, Wirtschaftspolitik dauerhaft zu ändern? | |
Die Pandemie und der politische Umgang mit ihr werden die Welt in jedem | |
Fall dauerhaft verändern – auch ökonomisch. Die Schriftstellerin Arundhati | |
Roy hat die Pandemie als Tor in eine andere Welt beschrieben. Ob die besser | |
sein wird als vorher, hängt an gesellschaftlichen Kämpfen, Bewegungen und | |
Aktivist*innen, denn die Unternehmen, Banken und das reichste Prozent der | |
Bevölkerung werden alles daran setzen, zu verhindern, dass Macht und | |
Wohlstand anders verteilt werden. | |
Und gesellschaftlich? | |
Die Kämpfe haben schon begonnen, und wer sich durchsetzen wird, ist gerade | |
überhaupt noch nicht klar. Die Hoffnung wäre, dass linke Bewegungen | |
massiver, aggressiver und schlauer sind als 2008/2009. | |
Wie sieht dieser linke Aktivismus aus? | |
Black Lives Matter hat ja große globale Aufmerksamkeit erzeugt. Meine | |
Hoffnung ist, dass auch eine eindeutig systemische Kritik am Kapitalismus | |
stärker wird. Was beispielsweise bei Tönnies passiert, ist seit Jahrzehnten | |
bekannt und jetzt entdecken Politiker*innen, dass das ein Problem ist und | |
sie handeln müssen. An solchen Stellen muss gesellschaftlicher Druck | |
entstehen. | |
2 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Michelle Bauermeister | |
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