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# taz.de -- tazđŸŸthema: Pusteblume
> Löwenzahn aus Vorpommern entlastet den Regenwald: Ein Fahrradreifen aus
> norddeutschem Milchsaft kommt ohne tropischen Kautschuk aus
Vermissen Sie die Taipei Cycle Show? Die Fahrradmesse hÀtte unter normalen
UmstÀnden Mitte Mai stattgefunden, ist aber in diesem Jahr wegen Sie wissen
schon ausgefallen. Pusteblume!
Dabei hĂ€tte dort ein Fahrradreifen seinen großen Auftritt gehabt, der schon
seit zwei Jahren produziert wird, jedoch noch nicht so recht den Weg ins
Rampenlicht gefunden hat. Der „Urban Taraxagum“ aus dem Hause Continental
gewann den diesjÀhrigen d&i-Award in Gold, einen Designpreis, der auf der
Messe in Taipeh verliehen wird. Das Besondere an dem Reifen: Er wird aus
Löwenzahnmilch hergestellt.
Die Idee ist keineswegs neu. Schon in den 1930er Jahren gab es in der
Sowjetunion Versuche, Kautschuk aus Löwenzahnwurzeln zu gewinnen. Vor
einigen Jahren wurde die Idee wiederentdeckt vom Fraunhofer-Institut fĂŒr
Molekularbiologie und angewandte Ökologie und dem Institut fĂŒr Biologie und
Biotechnologie der Pflanzen an der Uni MĂŒnster. Gemeinsam mit dem
Reifenhersteller Continental machten sich die Forscher zunÀchst auf die
Suche nach der geeigneten Pflanze. Aus Russischem Löwenzahn (Taraxacum
kok-saghyz) zĂŒchteten sie KorbblĂŒtler, die besonders viel Kautschuk
enthalten. Das Entwicklungsteam des Reifenherstellers begleitete die
Kautschukversuche. Die Forschungen wurden vom Bundesforschungsministerium,
dem Landwirtschaftsministerium und der EU gefördert, das Nachfolgeprojekt
lÀuft bis 2023.
Langfristig soll Löwenzahn helfen, tropischen Kautschuk in grĂ¶ĂŸeren Mengen
zu ersetzen. Autoreifen etwa enthalten heutzutage zwischen 10 und 30
Prozent Naturkautschuk, bei Lkw-Reifen liegt der Anteil noch höher. Bislang
ist kein Kunststoff erfunden worden, der die gleichen Materialeigenschaften
hat wie Naturkautschuk. Der Bedarf wÀchst stÀndig, und damit die Gefahr der
Abholzung von Urwald zugunsten der Gummiindustrie. Nach SchÀtzung der
Projektpartner werden bis 2024 fĂŒr KautschukbĂ€ume zwischen 2 und 2,5
Millionen Hektar neue AckerflÀche gebraucht.
Der Kautschukbaum (Hevea brasiliensis) kann nur in den Tropen angebaut
werden, in einer Zone etwa 30 Grad nördlich und sĂŒdlich des Äquators.
Löwenzahn hingegen ist eine sehr anspruchslose Pflanze, sie gedeiht auch in
gemĂ€ĂŸigten Breiten. Die Forscher glauben, dass sie sogar auf marginalen
FlÀchen angebaut werden kann, also auf Feldern, die bislang nicht
landwirtschaftlich genutzt wurden. Das soll nicht nur RegenwaldflÀchen
schĂŒtzen, sondern auch die Transportwege verkĂŒrzen.
Zu Beginn des Forschungsprojektes gab es noch nicht einmal Landmaschinen
fĂŒr die Aussaat und Ernte von Löwenzahn. Um die kautschukhaltige Wurzel zu
gewinnen und vom Rest der Pflanze zu trennen, haben die Forscher es
testweise mit einer Maschine probiert, die eigentlich fĂŒr die
Spinatproduktion gedacht ist. Sie schÀtzen, dass auf einem Hektar
AckerflĂ€che kĂŒnftig bis zu eine Tonne Kautschuk gewonnen werden kann.
Continental betreibt in Anklam in Mecklenburg-Vorpommern ein
Forschungslabor zur Kautschukgewinnung und lÀsst seine eigenen Pusteblumen
von Landwirten in der Umgebung anbauen. Die Fahrradreifen sind bislang die
einzigen Serienreifen auf Löwenzahnbasis.
Martin Kaluza
20 Jun 2020
## AUTOREN
Martin Kaluza
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