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# taz.de -- Michelle Demishevich Lost in Trans*lation: I am a refugee too – u…
Meine verehrten Leser*innen,
dass ich Sie zweimal im Monat über meine Kolumne in einer der großen
deutschen Tageszeitungen treffen kann, ist mir eine große Freude. Das hilft
mir, trotz allem meine Motivation als Journalistin am Leben zu erhalten.
Eigentlich würde ich gerne auch über das politische Geschehen in
Deutschland und Europa schreiben, aber durch die Flucht aus der Türkei und
die drei schweren Jahre hier in Deutschland kann ich gerade nicht wirklich
behaupten, journalistisch zu arbeiten.
[1][Die Schwierigkeiten, die mir hier widerfahren], teile ich seit einer
Weile mit Ihnen, meine verehrten Leser*innen. Ich habe gelernt, was
Einsamkeit bedeutet und dass Solidarität in Deutschland eben nicht für alle
die gleiche ist. Ich danke trotz allem den deutschen Behörden für die
Bewilligung meines Asylantrags Ende des vergangenen Jahres! Ich nehme an,
dass wegen Covid-19 meine Papiere immer noch nicht da sind, was mir mein
Leben so unendlich schwer macht. Ich habe kein festes Einkommen und seit
April kann ich meine Miete nicht mehr zahlen. Gerade lebe ich nur von dem
Geld, das ein paar Freundinnen mir geliehen haben.
Als Geflüchtete, Exiljournalistin, trans Frau, die an chronischen
Krankheiten leidet, schlage ich mich im Jahr 2020 im Herzen Europas vor den
Augen aller mit Problemen herum, die tief im System verankert sind und mit
denen ich nicht allein fertigwerden kann. Und ob ich von LGBTI*-,
Geflüchteten- oder Journalist*innenorganisationen irgendwelche
Unterstützung erwarten kann, weiß ich nicht.
Freund*innen, die mich aus der Türkei anrufen und mich nach meinem Leben
hier fragen, sage ich: „40 m[2]unmöblierte unendliche Einsamkeit.“ Viele
Kolleg*innen, die mit mir zur selben Zeit hergekommen sind, haben vieles
erreicht, was mir unerreichbar scheint. Vielleicht sind es die
Sprachbarrieren, die es so schwer machen, mit den deutschen Kolleg*innen in
Kontakt zu kommen. Und mir scheint, dass nur wenigen türkischen
Kolleg*innen Unterstützung zuteil wird. Langsam nehmen die Schwierigkeiten
überhand, die Einsamkeit ist so groß geworden, dass meine Hoffnung droht
verloren zu gehen.
[2][Ich habe in meinem Leben viel durchgemacht,] von sexueller Gewalt über
Morddrohungen hin zu Arbeitslosigkeit und Einsamkeit, aber die Traumata
hier in Deutschland sind andere. Rassistischer und transphober Gewalt in
Istanbul konnte ich etwas entgegensetzen. In Berlin fühl ich mich allein
und ausgeliefert. Auch wenn in den sozialen Netzwerken die „Refugees
Welcome“-Hashtags noch zahlreich sind, kann ich dieses „Welcome“ in meinem
Alltag nicht spüren. Dafür wäre wahrscheinlich ein neues Verständnis von
Willkommenskultur und Chancengleichheit notwendig, bei dem alle
Geflüchteten als gleich angesehen werden.
Aus dem Türkischen von Julia Lauenstein
18 Jun 2020
## LINKS
[1] /Neuanfang-in-Deutschland/!5681182/
[2] /Nachbarschaft-und-Hass-in-der-Tuerkei/!5674804/
## AUTOREN
Michelle Demishevich
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