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# taz.de -- Fischige Geschäfte
> Bremen zeigt Solidarität mit den Sahrauis, aber beim Fischmehl hört’s auf
Von York Schaefer
Seit 2016 zeigt die Bremer Politik offiziell ihre Solidarität mit den
Sahrauis. Zum Jahrestag des Exil-Staates „Demokratische Arabische Republik
Sahara“ am 27. Februar weht jedes Jahr die Staatsflagge in den
panarabischen Farben vor der Bremischen Bürgerschaft. In einem
fraktionsübergreifenden Beschluss hatte sich das Parlament für die
Durchsetzung des UN-Referendums zum Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis
ausgesprochen. Soweit so gut.
Bei der Umsetzung internationaler Rechtsprechung nimmt es die Bremer
Politik allerdings nicht so genau. Bremen hat sich in den vergangenen
Jahren zu einem Hotspot für den Import von Fischmehl aus den besetzten
Gebieten der Westsahara entwickelt. Aus der Antwort der Bundesregierung auf
die Anfrage der niedersächsischen Bundestagsabgeordneten Katja Keul (Grüne)
geht hervor, dass zwischen 2017 und 2019 fast 35.000 Tonnen Fischmehl aus
Betrieben in der Westsahara nach Deutschland importiert wurden. Alle
Lieferungen kamen über die Grenzkontrollstelle Bremen.
Laut Berechnungen der Nichtregierungsorganisation Western Sahara Ressource
Watch (WSRW) liegt der Warenwert bei etwa 40 Millionen Euro. Exklusiver
Abnehmer des Fischmehls ist das Hamburger Unternehmen Köster Marine
Proteins (KMP), dessen Geschäftsführung für ein Interview nicht zu
erreichen war. „Die sogenannte marokkanische Verwaltung des Territoriums,
mit der KMP in Kontakt steht, hat kein Recht, Genehmigungen für
wirtschaftliche Aktivitäten in der Westsahara zu erteilen“, schreibt Nadjat
Hamdi, Vertreterin der sahrauischen Befreiungsbewegung Frente Polisario in
Deutschland, zu den Fischmehl-Importen. Wie auch bei der Ausbeutung der
Phosphatvorkommen in Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen wie der
Continental-Tochtergesellschaft Contitech, beruft sich Hamdi auf das
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Dezember 2016, nach dem die
Westsahara nicht unter marokkanische Souveränität fällt.
Entgegen dieser völkerrechtlichen Position hat die EU mit der Unterstützung
Deutschlands im Februar 2019 ein neues Handels- und Fischereiabkommen mit
Marokko abgeschlossen, dass die besetzte Westsahara einschließt. So werden
für den Import von Fischmehl aus der Westsahara von den zuständigen
Veterinärbehörden in Bremen Ausfuhrpapiere marokkanischer
Veterinärbehörden, also der Besatzungsmacht, akzeptiert.
Marokko kann durch das neu verhandelte Abkommen Fischerei-Lizenzen an
Unternehmen aus der EU vergeben. Eines davon ist die Doggerbank
Seefischerei GmbH aus Bremerhaven, die wiederum zum niederländischen
Fischereikonzern der Parlevliet-&-Van-der-Plas-Gruppe, gehört. Das über 100
Meter lange Doggerbank-Schiff „Helen Mary“ war laut Tracking von WSRW
direkt nach der Verabschiedung des Abkommens in den Gewässern vor der Küste
der Westsahara unterwegs.
Lediglich fünf Prozent der vergebenen Fischerei-Lizenzen sind an die
angestammte Bevölkerung vergeben. Eine Vertreterin von WSRW kritisiert:
„Das zeigt, dass die Sahrauis in ihrem eigenen Land so gut wie keinen
Einfluss auf wirtschaftliche Aktivitäten haben.“
30 May 2020
## AUTOREN
York Schaefer
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