# taz.de -- nordđŸthema: Keine Kurse, keine Einkommen | |
> Wegen der Coronapandemie kĂŒndigten die Volkshochschulen ihren LehrkrĂ€ften | |
> die VertrÀge. Viele der prekÀr beschÀftigten HonorarkrÀfte verloren damit | |
> eine wichtige Einnahmequelle | |
Bild: LĂ€uft nur langsam wieder an: Englisch fĂŒr Fortgeschrittene an einer Vol… | |
Von Hannes Vater | |
Volkshochschulkurse bedeuten Bildungsteilhabe fĂŒr alle. Sie sind relativ | |
gĂŒnstig und bringen unterschiedliche Kulturen und Gesellschaftsschichten | |
zusammen. Man kann Sprachen lernen, Kochen, Fotografie, Musik, Politik, | |
Yoga, den Umgang mit der Natur, Medienkompetenz erwerben und vieles mehr. | |
Die Kurse werden meist von den Dozenten selbst entwickelt. Sie sind das | |
Herz der Volkshochschulen. | |
Doch mit dem coronabedingten Ausfall der Kurse seit MĂ€rz fiel das Einkommen | |
der Kursleiter weg. In Hamburg wurden am 13. MĂ€rz rund 3.800 Kurse von rund | |
1.100 Kursleitern und ĂŒber 20.000 Teilnehmern eingestellt. Die Kursleiter | |
erhielten noch bis Monatsende ihr Geld. Doch die VertrĂ€ge fĂŒr die | |
freiberuflichen Dozenten wurden aufgelöst, wie diese berichten. Viele | |
verloren ihre berufliche Existenz und rutschten in die Armut ab. | |
âMan brĂŒstet sich damit, was fĂŒr tolle Dozenten auf hohem Niveau | |
unterrichten, und lĂ€sst sie in Krisensituationen fallen wie heiĂe | |
Kartoffeln,â sagt Petra Schönewald, freiberufliche Dozentin fĂŒr Zeichnen, | |
Malen und Kunsttheorie. | |
Warum ist staatlich bezahltes Lehrpersonal so prekÀr beschÀftigt? | |
Volkshochschulen sind ĂŒberall in Deutschland unterschiedlich strukturiert, | |
verfolgen aber das gleiche Ziel: Erwachsenen- und Weiterbildung. Entgegen | |
ihrer Bezeichnung gehören sie nicht zum âtertiĂ€renâ Sektor der Hochschule… | |
sondern zum âquartĂ€renâ Bereich der Erwachsenenbildung. Den definiert der | |
Deutsche Bildungsrat als âFortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten | |
Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten | |
Bildungsphaseâ. | |
Die OECD trennt nicht zwischen tertiÀrem und quartÀrem Bildungsbereich. | |
Deutschland schon. Der niedrigere Stellenwert spiegelt sich in den Budgets | |
wieder. Kein Bundesland investiert mehr als ein Prozent seines | |
Bildungshaushalts in die Volkshochschulen. Dadurch fehlt der finanzielle | |
Spielraum, um LehrkrÀfte angemessen anzustellen. Ein paar feste Mitarbeiter | |
gibt es â viele der anderen geraten durch Corona in finanzielle Schieflage, | |
auch wenn der Senat noch einen Einmalzuschuss von 2.500 Euro gewÀhrt. | |
Die Volkshochschule Hamburg argumentiert, dass ohne die vielen | |
HonorarkrÀfte kein so breit gefÀchertes Angebot möglich sei, allein 33 | |
Sprachen seien dabei. So funktioniere das Betriebsmodell. Man wisse vorher | |
nie, wie viele Teilnehmer sich fĂŒr einen Kurs anmeldeten. AuĂerdem seien | |
meist drei von vier HonorarkrÀfte nur nebenberuflich tÀtig. | |
Bundesweit kommen an den Volkshochschulen auf rund 7.900 Festangestellte | |
200.000 HonorarkrĂ€fte. Letztere mĂŒssen sich selbst versichern, haben keinen | |
Anspruch auf Urlaub, Urlaubsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. | |
Wenn sie krank sind, Kurse ausfallen oder eine Pandemie ausbricht, | |
verdienen sie nichts. | |
Als Mitte MĂ€rz alle Lehrveranstaltungen abgesagt werden mussten, verloren | |
die Dozenten ihre Einnahmequelle. Zurzeit zahlt nur noch Berlin | |
Ausfallhonorare. Die Kurse laufen jetzt langsam wieder an. Allerdings nicht | |
in allen Bereichen und nicht in gewohntem Umfang. | |
WÀhrend vom Bund geförderte Kurse wie Deutsch als Fremdsprache und | |
Zweitsprache wieder vermehrt stattfinden, bleibt das offene Kursangebot | |
gröĂtenteils heruntergefahren. Petra Schönewald hat einen PrĂ€senzkurs fĂŒr | |
Modellzeichnen noch im Juni â falls sich genug Teilnehmer finden. Damit | |
verdient sie 235 Euro. Nicht mal ein Zehntel dessen, was sie normalerweise | |
im April und Mai erwirtschaftet hĂ€tte. Einen Online-Kurs fĂŒr Acrylmalen hat | |
sie selbst organisiert. Vor- und Nachbereitungen oder individuelle | |
Hilfestellungen werden von der VHS-Leitung nicht honoriert. FĂŒr die | |
freiberuflichen LehrkrÀfte in Integrationskursen, organisiert vom Bundesamt | |
fĂŒr Migration und FlĂŒchtlinge, gilt seit 2016 ein Mindesthonorar von 35 | |
Euro pro Stunde, in Grundbildungskursen 40 Euro. Wer hier Vollzeit | |
arbeitet, verdient etwa 1.600 Euro netto im Monat. | |
Das ist viel, verglichen mit Dozenten, die Computer- oder Musikkurse fĂŒr | |
ein Honorar von 20 bis 25 Euro pro Stunde anbieten. FĂŒr | |
Vollzeit-HonorarkrÀfte ist die Altersarmut vorprogrammiert. | |
âDie Kursleiter sind LehrkrĂ€fte, vergleichbar mit denen an Schulen. Sie | |
mĂŒssen von den Arbeitsbedingungen auch so behandelt werdenâ, sagt Dirk | |
Mescher, GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Hamburger GEW. Jetzt sei der Zeitpunkt, um fĂŒr | |
die Erwachsenenbildung endlich gerechte ArbeitsverhÀltnisse zu schaffen. | |
Wie viele der HonorarkrÀfte von ihrem Job an der Volkshochschulen | |
hauptsÀchlich leben, ist nicht erfasst. Aber gerade jetzt sind die | |
LehrkrÀfte im Vorteil, die noch anderswo fest angestellt sind. Sie sind | |
durch ihre Arbeitgeber versichert, haben einen Urlaubsanspruch und bekommen | |
im Krankheitsfall weiterhin ihr Gehalt. Die freiberuflichen bis | |
scheinselbststÀndigen HonorarkrÀfte sind auf sich allein gestellt. | |
Die BeschĂ€ftigung an Volkshochschulen war schon vor Corona âmit die | |
prekĂ€rste pĂ€dagogische TĂ€tigkeit, die es in Deutschland gibtâ, sagt | |
Arnfried GlÀser, Bundesarbeitsgruppenleiter Weiterbildung und | |
Studentenwerke von Ver.di. GlÀser sieht die EntscheidungstrÀger der | |
Kommunalpolitik in der Verantwortung. âWenn man von einem Hauptberuf lebt | |
und mehr als 26 Stunden pro Woche bei einem Arbeitgeber durchfĂŒhrt, ist das | |
eine arbeitnehmerĂ€hnliche TĂ€tigkeitâ, erklĂ€rt er. Ver.di fordert, diese | |
HonorarkrĂ€fte in Festanstellungen zu ĂŒberfĂŒhren. | |
Das ist aber nicht so einfach, weil die Volkshochschulen das nicht allein | |
entscheiden. Sie sind abhÀngig vom Budget, das ihnen zugeteilt wird. Im | |
Bildungsbudget mancher LĂ€nder sind nur 0,2 Prozent fĂŒr Erwachsenenbildung | |
vorgesehen. Ver.di fordert wenigstens ein Prozent, um den HonorarkrÀften | |
Luft zu verschaffen. | |
Solange dafĂŒr allerdings nicht der Wille besteht, sieht es schlecht aus. | |
Gefragt, wie man HonorarkrÀfte besser absichern könne, sagt der Sprecher | |
der Hamburger Schulbehörde, Peter Albrecht, der beste Schutz der | |
Kursleitungen gegen Honorarausfall seien âmehrere verschiedene Auftraggeber | |
und Einkommensquellenâ. Eine Situation, dass alle Quellen auf einmal | |
wegfielen wie in der Corona-krise, sei âeinmaligâ. Es werde darauf | |
ankommen, âneue Wege zu finden, mit denen Bildungsangebote und damit auch | |
BeschĂ€ftigungsmöglichkeiten fĂŒr möglichst viele Kursleitende gesichert | |
werden könnenâ. | |
Petra Schönfeld ist eine der HonorarkrÀfte, die von ihrer TÀtigkeit an der | |
Volkshochschule leben. Sie fĂŒhlt sich von der Schulleitung und den Behörden | |
im Stich gelassen. Dabei hat ihr die Arbeit immer SpaĂ gemacht, andere | |
Angebote habe sie abgelehnt. Das Àndere sich jetzt, sagt sie. Ihr | |
BeschÀftigungsverhÀltnis an der Volkshochschule vergleicht sie mit dem | |
eines Tagelöhners: âKeine Rechte, nur Pflichten und ein mieser Verdienst.â | |
6 Jun 2020 | |
## AUTOREN | |
Hannes Vater | |
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