# taz.de -- „Angst hat im Free-Skiing nichts zu suchen“ | |
> Women*Team (IV): Sportlerinnen bekommen weniger Aufmerksamkeit und Geld | |
> für ihre Leistungen als Männer. Hier kommen sie zu Wort. Kea Kühnel fährt | |
> Free-Ski – und das als Bremerhavenerin. Sie strebt für 2022 ihre zweite | |
> Teilnahme an Olympischen Winterspielen nach 2018 an und möchte auch sonst | |
> ganz oben mitfahren | |
Interview Pascal Patrick Pfaff | |
taz: Frau Kühnel, wann haben Sie zuletzt eine richtige Bruchlandung | |
hingelegt? | |
Kea Kühnel: Ich glaube, dass jeden Tag etwas Kleineres dabei ist. Ein Sturz | |
gehört einfach dazu – gerade wenn man auf dem Berg etwas Neues probiert. | |
Passiert es schnell, dass Sie bei einem Sprung die Kontrolle verlieren? | |
Wenn Wetter und Sicht schlecht sind, ist das Risiko natürlich höher, dass | |
etwas passiert. Dies ist etwa bei Flatlight so, also wenn das Licht die | |
gleiche Farbe hat wie der Schnee. Und wenn der Wind ein bisschen mehr von | |
hinten kommt, dann nimmt man lieber einfach weniger Geschwindigkeit mit. So | |
ist es zu kontrollieren. | |
Das Risiko ist nicht klein, sich bei solchen Sprüngen schwerer zu | |
verletzen. Wie gehen Sie mit der Angst davor um? | |
„Angst“ ist das falsche Wort, denn sie hat in dieser Sportart nichts zu | |
suchen. Ich würde eher von Respekt sprechen, den man hat, je größer die | |
Schanzen, schwieriger die Tricks oder schlechter die Bedingungen sind. Man | |
muss konzentriert sein, ruhig und motiviert bleiben. Da hilft es, den Trick | |
im Kopf durchzugehen, ihn zu visualisieren. Sie sind Bremerhavenerin. Wie | |
kommt man da zum Ski-Freestyle? | |
Ich stamme aus einer skibegeisterten Familie und stand schon mit zwei | |
Jahren auf den Brettern. Außerdem habe ich geturnt. Irgendwann bin ich dann | |
halsbrecherisch nach Innsbruck gezogen, um zu studieren und den Sport | |
auszuüben. Da Free-Skiing aber nicht „risikoneutral“ ist, habe ich anfangs | |
nicht so sehr die Unterstützung meiner Eltern gehabt. Ich denke aber, dass | |
sich dies geändert hat, nachdem ich seit 2015 für das Nationalteam starte. | |
2016 bin ich dann den ersten Weltcup gefahren. | |
Was studieren Sie in Innsbruck. | |
Wirtschaftsprüfung. Und in München Sinologie. Ich bin jetzt aber auch seit | |
einiger Zeit in Garmisch, weil ich nächste Woche meine vierwöchige | |
Grundausbildung bei der Bundeswehr in Hannover antrete. Durch die | |
Coronakrise ist es einfach besser, in Deutschland zu sein. Dort bin ich | |
dann aber nicht mit normalen Berufsanwärtern zusammen, sondern trainiere in | |
einer Sportfördergruppe. Wo trainieren Sie denn derzeit? | |
In Garmisch, weil es bis jetzt nicht möglich war, woanders zum Training zu | |
gehen. Da gibt es strenge Richtlinien für Sportler. Seit zwei Wochen können | |
wir aber wieder nach München zum Olympiastützpunkt fahren. Alles unter | |
bestimmten Voraussetzungen: Training anmelden, Mundschutz tragen und so | |
weiter. Ich gehe aber auch selbstständig laufen und mache zu Hause noch | |
spezifische Trainingseinheiten zu Kraft, Ausdauer, Akrobatik und | |
Beweglichkeit. Und mentales Training gehört auch zum Programm. | |
Ist Ski-Freestyle ein männerdominierter Sport? | |
Ja, auf jeden Fall. Man sieht mehr Männer im Snowpark als Frauen. Aber die | |
Zahl der Sportlerinnen steigt an. | |
Wie schwierig ist es, an Sponsoren heranzukommen? | |
Es wird schwieriger – auch wegen Corona: Viele haben ihr Budget gekürzt. | |
Mein Glück ist aber, dass ich in der Spitzensportförderung der Bundeswehr | |
bin. Sie ist mein Arbeitgeber und stellt mich für den Trainings- und | |
Wettkampfbetrieb frei. Bei den Sponsoren geht es für mich hauptsächlich um | |
die Skier. Wenn die kaputt sind, dann muss mir der Sponsor neue schicken. | |
Ich fahre deshalb im Weltcup immer mit mindestens zwei Paar. | |
Welche Ziele haben Sie denn für den kommenden Winter? | |
Ich weiß noch gar nicht, welche Weltcups stattfinden können. Trotz allem | |
möchte ich aber ganz oben mitfahren. | |
Und Ihr Ziel für die Olympischen Spiele in Peking? | |
Es wäre ein Traum, bei Olympia 2022 vorne dabei zu sein. Mein Wille ist da | |
und ich tue alles dafür. Dafür muss man aber die beste Form haben und auf | |
sehr professionellem Level trainieren. Nur so kommt man an die Spitze und | |
bleibt auch dort. | |
Können Sie von Ihrem Sport leben? | |
Dank der Bundeswehr kann ich das. Und für die Zeit nach der Sportkarriere | |
baue ich mir durch mein Studium gerade etwas auf: Ich möchte | |
Wirtschaftsprüferin werden. Das ist mein Traum. | |
25 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Pascal Patrick Pfaff | |
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