# taz.de -- corona in bremen: „Die JVA steht besser da als viele andere“ | |
Interview Sophie Lahusen | |
taz: Frau Schilling, um die Ausbreitung des Coronavirus in der JVA zu | |
verhindern, dürfen die Insassen seit Mitte März keinen Besuch bekommen. Wie | |
wirkt sich das auf die Gefangenen aus? | |
Claudia Schilling: Ich muss sagen, dass die Insassen sehr verständnisvoll | |
mit der Situation umgehen. Auch wenn das Besuchsverbot für viele eine Härte | |
ist, wird es akzeptiert. Die Insassen wollen auch nicht die eigene oder die | |
Ansteckung ihrer Familie und Freunde riskieren. Außerdem wissen sie, dass | |
es beispielsweise den Bewohner*innen von Pflegeheimen momentan auch nicht | |
besser geht. | |
Können sie denn trotzdem den Kontakt „nach draußen“ halten? | |
Ja, es wurde gegengesteuert. Die Insassen können jetzt mit ihren | |
Angehörigen skypen oder sich bei den Justizvollzugsbeamten ihrer Abteilung | |
ein Einfachhandy ausleihen, um damit kostenfrei nach Hause zu telefonieren. | |
Auch in den Abteilungen, die bereits mit Haftraumtelefonie ausgestattet | |
sind, wurden die Möglichkeiten zu telefonieren erweitert. | |
Und das wird angenommen? | |
Ja, insbesondere die ausgeweiteten Möglichkeiten zu telefonieren. Das läuft | |
sehr diszipliniert und auf der anderen Seite versuchen die | |
Justizvollzugsbeamten, soweit es geht, auf die Bedürfnisse der Häftlinge in | |
dieser besonderen Situation einzugehen. Man könnte fast sagen: Auch wenn | |
durch Corona deutlich auf physischen Abstand geachtet wird, rückt man auf | |
anderer Ebene hinter den Mauern der JVA mehr zusammen. | |
Geht das Anstaltsleben sonst normal weiter? | |
Bei den Abläufen geht – unter Beachtung der Abstands- und Hygieneregelungen | |
– alles weitestgehend weiter wie gehabt. Der JVA und dem Ressort war und | |
ist es dabei insbesondere wichtig, den offenen Vollzug aufrecht zu | |
erhalten. Dort geht es im Sinne der Resozialisierung darum, die Betroffenen | |
auf ihr Leben nach der Haft vorzubereiten – sie sind in dieser Phase ganz | |
normal „draußen“ berufstätig. | |
Genau dort gab es nun größere Veränderungen – welche sind das? | |
Um das Risiko eines „Einschleppens“ des Virus in die Anstalt zu minimieren, | |
wurde schon im März beschlossen, dass Häftlinge, deren Strafende in den | |
nächsten sechs Monaten liegt, Langzeitausgang erhalten. Das heißt, sie sind | |
nicht nur tagsüber draußen, sondern können auch außerhalb der JVA schlafen. | |
Nachdem sich zwei dieser Berufsfreigänger mutmaßlich „draußen“ auf dem W… | |
zur oder auf der Arbeit infiziert hatten und auch zwei Bedienstete der | |
Abteilung positiv getestet worden waren, wurde sofort reagiert: Eine | |
komplette Testung aller Gefangenen und Bediensteten der Abteilung ergab zum | |
Glück bis heute keine weiteren Fälle. | |
Wie wird mit Ersatzfreiheitsstrafen verfahren? | |
Die Haft von Menschen, die in der JVA Ersatzfreiheitsstrafen – also nicht | |
bezahlte Geldstrafen – „absitzen“, wurde unterbrochen, um Arbeitsprozesse | |
zu verschlanken und Raum für gegebenenfalls nötige Isoliermaßnahmen zu | |
schaffen. Zudem erhalten diejenigen, die in nächster Zeit zur Ableistung | |
einer Ersatzfreiheitsstrafe geladen werden würden, einen Aufschub für ihren | |
Haftantritt. | |
Haben sich die Maßnahmen ausgezahlt? | |
Bislang hat die JVA außer den erwähnten Fällen im offenen Vollzug keine | |
weiteren und im geschlossenen Vollzug überhaupt keine bestätigten | |
Infektionen. Damit steht sie besser da als viele andere Einrichtungen, in | |
denen viele Menschen auf begrenztem Raum untergebracht sind. | |
14 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Sophie Lahusen | |
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