# taz.de -- corona in bremen: „Viele sind jetzt alleine“ | |
Interview Sophie Lahusen | |
Frau Heritani, Sie sind in Syrien und Deutschland aufgewachsen und kennen | |
hier in Bremen viele Menschen, die aktuell fasten. Was ist am Ramadan | |
dieses Jahr anders? | |
Jasmina Heritani: Der Fastenmonat ist etwas ganz Besonderes für Muslime. | |
Ein Monat, in dem man in sich kehrt, ein spiritueller Monat, in dem man | |
sich Gott hingibt. Ein Monat, in dem wir uns besonders um andere Menschen | |
kümmern. Ein wichtiger Teil dieses Monats ist auch das gemeinsame Gebet in | |
der Moschee nach dem Fastenbrechen. Auch ich habe oft in Frauengruppen das | |
Fastenbrechen erlebt und viele nette Menschen getroffen. Das alles findet | |
dieses Jahr nicht statt. | |
Was bedeutet das? | |
Es ist vor allem diese besondere Atmosphäre abends in der Moschee, die in | |
diesem Jahr nicht geblieben ist. Viele Moscheen versuchen Begegnungen | |
online zu ermöglichen. Sie bieten Unterricht gerade auch für Frauen und | |
Kinder an. Dadurch soll ein Gemeinschaftsgefühl digital vermittelt werden. | |
Das ist natürlich kein Ersatz für die persönliche Begegnung, aber hilft ein | |
wenig. | |
Und was macht das mit den Menschen? | |
Die Leute akzeptieren natürlich, dass es aufgrund der Schutzmaßnahmen | |
dieses Jahr nicht anders möglich ist. Man möchte auf keinen Fall andere in | |
Gefahr bringen. Dieses Zusammenkommen in den Moscheen, aber auch in den | |
Familien, in großen Gruppen zum Fastenbrechen fehlt den Menschen aber | |
schon. Jetzt sind es eben nur Vater, Mutter, Kind, sonst trifft man sich in | |
der Regel mit den Großeltern. | |
Können Sie dem auch etwas abgewinnen? | |
Das Besondere ist, dass Kinder den Ramadan jetzt viel mehr miterleben | |
können. Dadurch, dass sie nicht um 8 in die Schule müssen, können sie | |
abends beim Fastenbrechen gegen 21 Uhr dabei sein und diese besondere Zeit | |
anders miterleben. Ich erinnere mich noch an meine eigene Kindheit in | |
Syrien, wie fasziniert ich war von dem anderen Leben im Ramadan. | |
Und was ist mit den alten Menschen? | |
Ich mache mir Sorgen um die Älteren, denen fehlt das Gemeinschaftliche des | |
Fastenmonats sehr. Viele sind jetzt alleine, die sonst viel Besuch bekommen | |
hätten. Das alles geht nur noch über die sozialen Medien und das Handy. | |
Das gilt ja gerade abgesehen von Muslimen für viele alte Menschen in | |
Deutschland. Glauben Sie, die alten Menschen in Deutschland | |
„digitalisieren“ sich gerade? | |
Ich bekomme mit, dass das viele versuchen, aber noch nicht alle können. | |
Dabei ist es so wichtig mit den Kinder und Enkelkindern in Kontakt zu | |
bleiben. | |
4 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Sophie Lahusen | |
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