# taz.de -- ramadan: Netz statt Moschee | |
> Muslime in Deutschland weichen auf das Internet aus | |
Von Eren Güvercin | |
Das Ramadanfasten gilt als das anspruchsvollste religiöse Ritual. | |
Erstaunlicherweise ist es dennoch das am häufigsten praktizierte. Das | |
gemeinschaftliche Element der islamischen Religionspraxis ist im Ramadan | |
besonders ausgeprägt. Muslime kommen in diesem Monat öfter als sonst in den | |
Moscheen zusammen, um gemeinsam aus dem Koran zu rezitieren, bei | |
Sonnenuntergang das Fasten zu brechen und nach dem Nachtgebet das | |
Tarawih-Gebet zu beten. Doch all dies wird dieses Jahr nicht in gewohnter | |
Weise stattfinden können. | |
Schon vor einigen Wochen haben Kirchen, Synagogen und Moscheen die | |
einschneidenden Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Infektionen breit | |
mitgetragen und ihre Gebetsstätten geschlossen. Markus Kerber, | |
Staatssekretär im Bundesinnenministerium und verantwortlich für die | |
Deutsche Islamkonferenz, würdigte am Freitag das große Engagement der | |
Christen, Juden und Muslime, mit dem sie sich der Coronapandemie | |
entgegengestellt hätten. „Ich bin dankbar dafür, wie verständnisvoll die | |
Kirchen, die Vertreter der jüdischen Gemeinschaft und Repräsentanten der | |
Muslime in Deutschland auf die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus | |
reagiert haben“, sagte Kerber. | |
Diese Wertschätzung war ein starker Kontrast zur fragwürdigen | |
Bild-Schlagzeile vor einigen Tagen: „Kirchen aus Sorge vor Ramadan-Chaos | |
geschlossen“, die suggerierte, dass Muslime in der Coronakrise ihrer | |
gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden und damit auch | |
anderen Religionsgemeinschaften schadeten – offensichtlich ein Versuch, die | |
Religionsgemeinschaften gegeneinander auszuspielen. | |
Auch nach den ersten Lockerungen werden die Moscheen nach momentanem Stand | |
im Ramadan leer bleiben. Um die seelsorgerischen Tätigkeiten | |
aufrechtzuerhalten, haben die Moscheegemeinden bereits vor dem Ramadan die | |
spirituellen und seelsorgerischen Angebote ins Internet verlagert. Es | |
finden seit Wochen Vorträge, Predigten und Koranrezitationen auf Instagram, | |
Facebook und YouTube statt. Diese Angebote sollen im Ramadan weiter | |
ausgebaut werden, um die entstehende Lücke ansatzweise zu füllen. | |
Auch sollen ansonsten in den Moscheen stattfindende spirituelle Angebote in | |
die Familie verlagert werden. Dafür bietet der Islam genug Flexibilität. | |
Natürlich wird das die gewohnte spirituelle Atmosphäre in der Moschee nicht | |
ersetzen können, aber uns Muslimen vielleicht deutlicher vor Augen führen, | |
wie wichtig gemeinschaftliche Aspekt einer Religion sind, die man im | |
normalen Alltag vielleicht nicht so wertgeschätzt hat. | |
Der Autor ist Co-Gründer der Alhambra-Gesellschaft und Mitglied der | |
Islamkonferenz | |
20 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Eren Güvercin | |
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