# taz.de -- corona in bremen: „Kann für viele lebens-bedrohlich sein“ | |
Interview Sophie Lahusen | |
taz: Herr Reetz, wieso ist die Situation für Suchtkranke von illegalen | |
Substanzen momentan besonders schwierig? | |
Bertold Reetz: Zum einen sind Konsumenten von harten Drogen wegen der | |
Nebenerscheinungen und dem geschwächten Immunsystem automatisch | |
Risikopatienten von Covid-19. Zum anderen sind alle möglichen | |
Einrichtungen, die die Konsumenten sonst aufsuchen, nur sehr vermindert | |
geöffnet, was ein großes Problem darstellt. Selbst Reha-Zentren sind | |
betroffen. | |
Und Ihre Einrichtung? | |
Ja, wir haben nur sehr eingeschränkte Öffnungszeiten und beraten fast nur | |
noch telefonisch. Eine Beratung auf Distanz ist bei Suchtkranken aber sehr | |
schwierig. Nicht alle melden sich auch telefonisch, die sonst | |
vorbeigekommen wären. | |
Wie lösen Sie das? | |
Wir haben von fast allen Klienten auch die Telefonnummer und gehen selbst | |
auf sie zu und versuchen so, als Beratungsstelle über die Runden zu kommen, | |
indem wir Aufklärung zur aktuellen Lage betreiben und zum anderen versuchen | |
herauszufinden, wie die häusliche Lage ist und wie sich die Klienten besser | |
schützen können. Wir versuchen auch ein Video-System für Gruppentherapien | |
aufzubauen, dass wir die Menschen auch zu Hause weiter therapieren können, | |
wo aber wahrscheinlich nicht alle mitmachen werden. In Notfällen haben wir | |
auch einen Raum bereitgestellt, wo eine oder zwei Personen auf Abstand ein | |
persönliches Gespräch erhalten. | |
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), sagte vor | |
einigen Tagen: „Unbegleiteter Entzug muss verhindert werden.“ Was meint sie | |
damit? | |
Durch die aktuelle Lage ist das ganze System zusammengebrochen, auch von | |
Drogen. Somit gibt es momentan nicht genug Nachschub und die Drogen auf dem | |
Markt werden teurer. Manche können sich diese nicht mehr leisten und im | |
schlimmsten Fall kommt es dann zu einem kalten Entzug, was für viele | |
lebensbedrohlich sein kann. | |
Sind das auch die Sorgen, von denen Ihre Klienten berichten? | |
Ja, und auch davon, dass diese Treffen und Ansammlungen von Klienten an | |
verschiedenen Orten im Moment zum Stillstand gekommen sind, was ein | |
wichtiger sozialer Aspekt ist. | |
Was würde die Lage verbessern? | |
Es wäre toll, wenn es Konsumräume gäbe, natürlich in reduzierter Weise. Ein | |
Raum, den vielleicht eine oder zwei Personen gleichzeitig nutzen können, | |
als Ort, wo die Personen einfach hinkommen können. Aber wir sind vor allem | |
froh, wenn das alles bald vorbei ist. | |
3 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Sophie Lahusen | |
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