# taz.de -- corona in bremen: „Jedes Gedicht suche ich persönlich für die P… | |
Interview Sophie Lahusen | |
taz: Frau Sinn, ab heute kann man sich am Telefon von Ihnen ein Gedicht | |
vortragen lassen. Glauben Sie, die Menschen „trauen“ sich anzurufen und | |
sind nicht zu schüchtern? | |
Angelika Sinn: Ich glaube schon, dass Menschen anrufen werden und neugierig | |
sind, was sich hinter dem Angebot versteckt. Ich gehe dabei natürlich auch | |
von mir selbst aus. Aber die Menschen haben mehr Zeit, sind zuhause und | |
probieren vielleicht auch neue Angebote aus, es bleibt aber ein Versuch. | |
Und anonym ist es ja dennoch, bei einer Lesung eine Frage zu stellen kostet | |
denke ich mehr Mut. | |
Gibt es direkt ein Gedicht zu hören oder erst ein kurzes Gespräch? | |
Wenn die Menschen wegen speziellen Problemen oder allgemeinem Redebedarf | |
anrufen, kann ich nicht helfen, aber ich versuche, in einem kurzen Gespräch | |
zu horchen, was die Menschen gerne hätten und vielleicht gerade brauchen. | |
Jedes Gedicht suche ich dann persönlich für die Person aus. | |
Das heißt, Ängste wegen Corona können dabei auch eine Rolle spielen? | |
Ich möchte das Wort „trösten“ gar nicht verwenden, aber ich versuche scho… | |
Texte auszuwählen, die nicht unbedingt Tod, Sterben und Isolation zum Thema | |
haben, sondern vielleicht eher Liebe, Freiheit oder auch Reisen. Dinge, die | |
den Menschen vielleicht gerade fehlen. | |
Sodass Corona für einen Moment vergessen ist? | |
Ja, vielleicht etwas zum Träumen, etwas Aufmunterndes. | |
Was für AutorInnen gehören zu Ihrem Repertoire? | |
Ich habe einige in petto. Ich persönlich mag Else Lasker-Schüler sehr | |
gerne, aber das ist natürlich auch ein bisschen düster. Oder auch Rainer | |
Maria Rilke, Ingeborg Bachmann, Theodor Storm oder Paul Celan. | |
Wie erleben Sie diese „Kultur-Pause“ persönlich? | |
Sehr durchwachsen. Man macht sich natürlich viele Gedanken, was um einen | |
herum passiert, aber es ist sehr schwierig sich schriftstellerisch damit zu | |
befassen. Ich bin gerade an einer ganz anderen Arbeit, einem Reisebericht | |
über Myanmar und damit träume ich mich etwas weg. Als Schriftstellerin bin | |
ich Homeoffice, im Vergleich zu vielen anderen, ja gewöhnt, aber über die | |
finanzielle Zukunft macht man sich als Freischaffende natürlich viele | |
Gedanken. | |
Können Sie der „Corona-Zeit“ auch etwas abgewinnen? | |
Die Zeit inspiriert mich eigentlich nicht direkt, aber dadurch, dass vieles | |
wegbricht, hat man die Möglichkeit kreativ zu werden. Ohne die | |
Kontaktsperre oder die Isolation hätte es diese Lyrik-Hotline | |
beispielsweise nie gegeben, die auf den ersten Blick vielleicht etwas | |
altmodisch wirkt, aber eigentlich eine wirklich schöne Idee ist. | |
Lyrik-Hotline gegen kulturelle Isolation. Ab 2. April dienstags von 18-21 | |
Uhr und donnerstags von 15-18 Uhr, unter der Rufnummer☎0176 53 56 80 84 | |
1 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Sophie Lahusen | |
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