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# taz.de -- berliner szenen: Sie sind mental stark in der Mark
Meine Frau ist gestern in vier Supermärkten gewesen, um einen Liter Milch
zu bekommen.“ Der Arzt sah mich etwas verzweifelt an. Dabei müsste ich
verzweifelt sein. Seit Monaten habe ich einen OP-Termin in der Parkklinik,
hatte mich schon im Krankenzimmer ausgebreitet und nach drei Stunden Warten
platzte der Arzt ins Zimmer und meinte, ich müsse leider wieder gehen. Ich
fuhr nach Hause. Es bringt nichts, sich angesichts Corona über auf ins
Ungewisse verschobene Operationstermine aufzuregen.
Bei uns gibt es genügend Milch. Meine kleine Stadt in Brandenburg hat fünf
Supermärkte. In normalen Zeiten hat mich das Überangebot schon mal
aufgeregt, heute bin ich froh darüber. Wenn das Klopapier in einem Markt
aus war, gab es welches im nächsten. Vor einem leeren Milchregal habe ich
noch nie gestanden in den letzten Tagen.
In den Nachrichten zeigen sie empört Bilder von jungen Menschen, die sich
in den Berliner Parks treffen und Picknick machen. Meine Kinder sitzen bei
uns auf der Terrasse und spielen Karten mit ihren Freunden oder schneiden
sich gegenseitig die Haare. „Gehört das zu sozial notwendigen Kontakten?“,
fragt A. „Oder werde ich jetzt paranoid?“ Dann geht er raus und erzählt den
Kindern, dass sie sich mehr beschränken müssen. Keine Treffen auf der
Terrasse mehr.
J. hält mich für paranoid. Er meint, ich sei „mental nicht so stark“. Wie
er darauf kommt, kann ich nur vermuten. Ich habe vor zwei Wochen meinen
Partygästen mitgeteilt, dass ich meine Geburtstagssause in den Sommer
verschiebe, weil ich unbeschwert feiern will. Und A. habe ich gebeten,
nicht zu J. zum Saunen zu gehen. Die Jungs haben ihrem Freund eine komische
Frisur geschnitten. Er sieht jetzt aus wie ein mittelalterlicher Mönch.
Elke Eckert
24 Mar 2020
## AUTOREN
Elke Eckert
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