# taz.de -- Ohne Geld, aber mit Hitlergruß | |
> Tuvia Tenenbom entlarvt jetzt die Briten | |
Von Christopher Wimmer | |
Wer jetzt ein Buch über Großbritannien liest, erwartet den Brexit als | |
Thema. Greift man nun zu Tuvia Tenenboms „Allein unter Briten“ wird man, | |
zumindest in diesem Bereich, enttäuscht. Tenenbom, | |
israelisch-amerikanischer Dramatiker, Gründer des Jewish Theater of New | |
York und Kolumnist bei der Zeit, hat sich ins Vereinte Königreich | |
aufgemacht, um die Eigenarten der Briten zu ergründen. Nicht zum ersten | |
Mal. Seine Markenzeichen sind kulturelle „Entdeckungsreisen“, auf denen er | |
Menschen trifft und sie zum Sprechen bringt. So verschlug es ihn schon nach | |
Israel, Deutschland oder in die USA. Herausgekommen sind dabei immer | |
fulminante Reisebereiche, gespickt mit zahllosen Begegnungen, Gesprächen, | |
witzigen und seltsamen Situationen. Nun also Großbritannien. | |
Tenenboms Plan war es, zu verstehen, wie es zum Brexit kam. Doch während er | |
viele Monate durchs Land reist, sich mit Lords unterhält oder | |
philosophische Gespräche an Kneipentresen führt, Geistesgrößen, Geistliche | |
und Gangster trifft, in einem alten Zimmer von Winston Churchill nächtigt | |
oder sich mit Nigel Farage trifft, kommt es ganz anders. Die meisten | |
Inselbewohner wollten nämlich gar nicht über den Brexit sprechen. | |
Zentral sind es zwei Themen: Armut und Antisemitismus. Die soziale | |
Ungleichheit wird besonders deutlich in London. Dort trifft Tenenbom auf | |
Bankangestellte, die auf engstem Raum mit Obdachlosen zusammenleben. Er | |
unterhält sich mit working poor, also jenen Vollzeitarbeitern, die trotzdem | |
noch aufstocken müssen und auf Kleiderkammern angewiesen sind – während im | |
Hintergrund der Buckingham Palace aufscheint, Wohnort der Queen mit ihrem | |
staatlich alimentierten Pomp. | |
Interessant, weil unerwartet, auch der starke Antisemitismus, den er im UK | |
trifft. Dieser erscheint allgegenwärtig. Einmal steht ein 14-jähriger Junge | |
neben ihm und macht den Hitlergruß. Der fand das lustig. Zu allen | |
Gelegenheiten wird über das Existenzrecht Israels debattiert – und auch die | |
Antisemiten und Palästina-Romantiker in der Labour-Partei werden | |
thematisiert. | |
Tenenbom hat ein Händchen hat für alltägliche Komik und skurrile | |
Begebenheiten. Manchmal wird der deutsche Journalist Tobi – als der er sich | |
dauernd ausgibt – jedoch seinen Gesprächspartnern gegenüber bloßstellend | |
und nörgelnd. Damit werden die knapp 500 Seiten manchmal etwas lästig und | |
langweilig – gerade wenn man seine anderen Bücher kennt, die einem | |
ähnlichen Muster folgen. Und doch bietet sein Roadtrip so einiges über | |
Großbritannien an, ganz ohne über den Brexit reden zu müssen. | |
7 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Christopher Wimmer | |
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