# taz.de -- Großer Wurf | |
> Dana Zátopková ist tot. Im Leben der Olympiasiegerin verdichtete sich das | |
> Geschehen im 20. Jahrhundert schicksalhaft, und das lag nicht nur an | |
> ihrem Ehemann Emil Zátopek | |
Bild: Traumpaar der tschechoslowakischen Leichtathletik: Emil Zátopek küsst s… | |
Aus Prag und Steinbach-Hallenberg Thomas Purschke | |
Dana Zátopková, die tschechische Speerwurf-Olympiasiegerin von Helsinki | |
1952 und Silbermedaillengewinnerin in Rom 1960, Dana Zátopková, ist im | |
Alter von 97 Jahren am Freitagmorgen im Militärkrankenhaus in Prag | |
verstorben. Sie war eine bedeutende Zeitzeugin der Leichtathletik des 20. | |
Jahrhunderts. Der Sport in Tschechien habe eine seiner größten | |
Persönlichkeiten verloren, teilte das tschechische olympische Komitee mit. | |
Bis zum Jahr 2018 nahm sie noch am öffentlichen Leben teil. Sie war | |
Ehrengast bei vielen Leichtathletik-Veranstaltungen in Tschechien und | |
weihte besonders gern Sportplätze ein. Und auch die Blumen im Vorgarten | |
ihrer kleinen Wohnung im Prager Stadtteil Troja pflegte sie noch bis zu | |
ihrem 95. Geburtstag soweit es eben ging. | |
Geboren in Karviná, der mährisch-schlesischen Region im Osten des heutigen | |
Tschechiens, war sie zunächst eine gute Handballerin und wechselte dann zur | |
Leichtathletik. Bei den Olympischen Sommerspielen 1952 in Helsinki erlebte | |
das berühmte Sportler-Ehepaar Dana und Emil Zátopek seine Sternstunde. | |
Beide wurden am gleichen Tag innerhalb von einer Stunde Olympiasieger. Dana | |
im Speerwerfen und Emil im 5.000-Meterlauf. Fun Fact: Beide kamen am 19. | |
September 1922 auf die Welt. Während Emil Zátopek bereits im November 2000 | |
an den Folgen eines Hirnschlags verstarb, erfreute sich Dana den Umständen | |
entsprechend noch lange guter Gesundheit. „Nur mit dem Laufen ging es seit | |
dem 90. Geburtstag bergab“, sagte sie der taz 2016 in gutem Deutsch. Im | |
Herbst des gleichen Jahres brach sie sich bei einem Sturz in ihrer Wohnung | |
den Oberschenkelhals. Davon konnte sie sich trotz des hohen Alters aber | |
relativ gut erholen. | |
## Der Vater im KZ | |
2016 hatte sie in Tschechien ein umfangreiches Buch über ihr Leben als | |
Sportlerin und spätere Trainerin sowie die gemeinsamen Jahre mit Emil | |
veröffentlicht. Das Thema Deutschland war für sie das schwerste Kapitel: | |
Sieben Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg durften in Helsinki auch die | |
deutschen Sportler bei Olympia wieder mit am Start sein. Dana Zátopková, | |
deren Vater zwei Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern der Nazis, | |
darunter in Buchenwald und Dachau, inhaftiert war und zum Glück überlebte, | |
sagte 2016 dem WDR-Magazin „Sport inside“: „Ich kann bis heute nicht so g… | |
darüber sprechen. Menschen können große Verwüstungen anrichten, aber diese | |
darf man nicht in die eigene Seele eindringen lassen. Es ist besser zu | |
vergeben.“ | |
Die Zátopeks waren froh, dass die Deutschen 1952 bei Olympia wieder mit | |
dabei waren. Ihrem Ehemann, dem Ausnahmeläufer, gelang damals in Helsinki | |
das bis heute unerreichte Triple: Emil Zátopek gewann die 5.000 Meter, | |
10.000 Meter und auch noch den Marathon. Eine Strecke, die er noch nie | |
zuvor gelaufen war. Über die 5.000 Meter wurde der Deutsche Herbert Schade | |
Dritter. Eine innige Freundschaft begann in Helsinki zwischen den Zátopeks | |
und Herbert Schade aus Solingen, die ein Leben lang fortbestand. Die | |
Zátopeks waren oft in Solingen und auch bei zahlreichen | |
Sportveranstaltungen in ganz Deutschland zu Gast. Im November 1954 | |
besuchten sie als Ehrengäste übrigens auch die Universität in Jena. | |
Emil Zátopek, der wie seine Frau Dana mehrere Sprachen beherrschte, sagte | |
1988 über seinen einstigen Konkurrenten Herbert Schade: „Wir waren Gegner, | |
aber trotzdem sehr gute Freunde. Und ich muss sagen, dass die Freundschaft | |
im Sport höher steht als all die Medaillen und Diplome.“ | |
1968 hatte das Leben für das kinderlos gebliebene Ehepaar Zátopek eine | |
dramatische Wendung genommen. Der Prager Frühling der tschechoslowakischen | |
Reform-Kommunisten, die einen Sozialismus mit menschlicherem Antlitz und | |
mehr Demokratie durchsetzen wollten, wurde im August 1968 durch Panzer des | |
Warschauer Paktes brutal niedergeschlagen. Über 100 Menschen kamen dabei | |
ums Leben. Dana: „Das war eine sehr kalte Zeit für uns, aber Emil war sehr | |
tapfer.“ | |
Emil Zátopek, damals Sport-Oberst der tschechoslowakischen Armee, | |
unterstützte die Reform-Regierung von Alexander Dubček in Prag. Zátopek | |
forderte die Sowjets öffentlich zum sofortigen Abzug auf und seine | |
Landsleute zum massiven Protest – mit verheerenden Folgen. Er wurde aus der | |
Armee ausgeschlossen und musste mehrere Jahre im Bergbau schuften. Doch | |
auch diese schwere Phase ihres Lebens standen die Zatopeks gemeinsam durch. | |
## Kritik am Event-Sport | |
Dana Zátopková, die vor fast 70 Jahren Olympia-Gold holte, war bis zum | |
Schluss geistig hellwach und eine aufmerksame Beobachterin des Sports – und | |
dessen, wozu er auch aus ihrer Sicht verkommen ist: „Ich habe natürlich | |
Olympia in Rio 2016 und die Leichtathletik-WM in London von Anfang bis Ende | |
im Fernsehen verfolgt und mich sehr über das WM-Gold unserer Speerwerferin | |
Barbora Špotáková gefreut. Aber ich muss sagen: Der Sport als Kern der | |
Spiele soll dabei im Mittelpunkt stehen. Wir müssen mittlerweile mehr denn | |
je aufpassen, damit der Sport nicht zu einer Zirkusveranstaltung verkommt“, | |
sagte sie. | |
Dankbar zog Dana Zátopková ihre persönliche Bilanz: „Ich hatte ein | |
interessantes Leben, ich hatte viel Arbeit, Erfolg, konnte mit Emil viel | |
von der Welt sehen. Also kann ich mich nicht über irgendetwas beschweren. | |
Ich bin froh, dass mein Leben so vielseitig war.“ Auch ihre ansteckende | |
Lebensfreude und ihren Humor werden all jene, die Dana Zátopková kannten, | |
vermissen und sie in guter Erinnerung behalten. | |
16 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Thomas Purschke | |
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