# taz.de -- Die dänische Antwort auf Standardmaße | |
> In Hamburg-Barmbek hat die dänische Modekette „Zizzi“ ihre erste deutsche | |
> Filiale eröffnet. Die Größe M ist dort das, was woanders XL wäre. Für die | |
> Kundinnen ist das entspannend | |
Bild: Beraten gerne: Claudia (links) und Marion in der Hamburger „Zizzi“-Fi… | |
Von Anastasia Trenkler | |
Die Puppen im Schaufenster tragen Größe M, aber beim genauen Hinschauen | |
fällt auf: sie sind nicht so spindeldürr wie die in den anderen Läden des | |
Shoppingcenters Hamburger Meile in Barmbek-Süd. Statt Größe 38 entspricht M | |
hier den Größen 46 und 48. Das sind Größen, die vielen Frauen genau passen, | |
die es in anderen Läden aber meist nicht gibt. | |
Mittags ist es ruhig hier, die beiden Verkäuferinnen Claudia und Marion | |
nutzen die Zeit, um neu eingetroffene Teile zu sortieren. „Ganz vorne im | |
Geschäft hängen die Trendfarben Koralle und Mint“, erklärt Marion, „und … | |
hinten ist unsere Jeans-Abteilung, die ist besonders beliebt.“ | |
Der Laden in der Hamburger Meile ist die erste deutsche Filiale von | |
„Zizzi“, einer dänischen Modemarke für große Größen. Eröffnung war vor | |
einem halben Jahr. „Das Geschäft läuft gut“, sagt Marion und zupft eine | |
schwarze Bluse zurecht. „Wir haben sogar schon einige Stammkundinnen.“ | |
Stilistisch unterscheidet sich „Zizzis“ Angebot kaum von dem anderer Läden: | |
Skinny-Jeans, Lederjacken und Blusen mit floralen Aufdrucken hängen auf den | |
Stangen. An den Wänden sind Werbeplakate, die schöne Frauen in den Kleidern | |
der aktuellen Kollektion zeigen. | |
Im hinteren Teil des Geschäfts befinden sich die Garderoben. Daneben ist | |
eine Größentabelle platziert: „S“ entspricht den Größen 42 bis 44, „X… | |
reicht von 54 bis 56. „Wer bei uns ein Top der Größe M trägt, hat in | |
anderen Geschäften kaum Auswahl“, sagt Marion. Viele Frauen, die bei | |
„Zizzi“ einkaufen, würden sich freuen, hier in eine S oder M zu passen. | |
Die Neuordnung der Größen ist eine erfolgreiche Marketingstrategie: | |
Kundinnen aller Altersklassen und sozialen Schichten kaufen bei „Zizzi“ | |
ein. Die Preise sind ähnlich wie die der anderen Fast-Fashion-Ketten. | |
Schließlich stammen auch die Kleidungsstücke von „Zizzi“ aus | |
Produktionsländern wie Bangladesch und China – Länder, die zu großen Teilen | |
für die Modeindustrie des globalen Westens ausgebeutet werden. | |
„Zizzi“ ist ein reines Frauengeschäft. Das Sortiment in Hamburg beschränkt | |
sich bisher auf einige Basic-Teile und die aktuelle Kollektion. Online gibt | |
es auch Unterwäsche und Sportbekleidung. „Momentan eröffnet die Marke immer | |
mehr Filialen“, sagt Marion. Vor allem in Skandinavien sei „Zizzi“ | |
erfolgreich. | |
Vermutlich würden sie in der Hamburger Innenstadt noch mehr Umsatz machen, | |
meint Marion. Dennoch glaubt sie, dass sich der Laden dauerhaft im | |
Shopping-Center halten wird. Die anderen Kleiderläden stellten nämlich | |
keine wirkliche Konkurrenz für „Zizzi“ dar. „Die werben zwar mit großen | |
Größen, aber wenn Kundinnen dann nachfragen, haben solche Geschäfte meist | |
keine passenden Teile im Sortiment“, erklärt Marion.Viele Kundinnen wären | |
vom Einkaufen in konventionellen Läden frustriert. | |
Sie und ihre Kolleginnen hätten dagegen noch nie eine Frau mit dem Satz „Es | |
tut uns leid, wir haben leider nichts in Ihrer Größe“ abweisen müssen. | |
Marion ist nicht nur Verkäuferin, sondern auch Kundin bei „Zizzi“. Die | |
Marke würde sie gut repräsentieren, sagt sie. Die 33-Jährige ist | |
modebewusst, weiß genau, was gerade im Trend ist und welche Teile | |
zusammenpassen. In der Beratung ist sie ehrlich, aber nie verletzend. „Für | |
Fatshaming ist hier kein Platz“, sagt sie. | |
Eine junge Frau betritt das Geschäft. Die beiden Verkäuferinnen lächeln sie | |
an. „Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen“, fragt Claudia. Zuerst winkt | |
die Kundin ab, entschließt sich nach einigen Minuten aber doch für eine | |
Beratung. „Ich suche nach einer Jeans oder einer Leggings oder nach so | |
etwas Ähnlichem“, sagt sie. Marion nickt und führt sie zielstrebig zu dem | |
Kleiderständer mit den Ausverkäufen. | |
Dann fragt sie nach der Kleidergröße ihrer Kundin – die zögert ein wenig. | |
Marion kommt ihr zuvor: „Darf ich schätzen? Ich tippe auf eine 48, | |
vielleicht sogar 46.“ Die junge Frau sieht verwirrt aus. „Bei H&M passe ich | |
da nie rein“, sagt sie. Marion lacht. „Na, die bei H&M sind ja auch nicht | |
großzügig mit ihren Größen. Das ist bei uns anders.“ Die junge Frau | |
verschwindet mit einem Paar Hosen in der Umkleidekabine. Marion schaut ihr | |
zufrieden nach. | |
Die meisten Frauen wüssten gar nicht, was ihre wirkliche Größe ist. „Die | |
meisten kaufen immer zu groß“, sagt Marion. Sie vermutet, dass sich die | |
Kundinnen bei „Zizzi“ wohler fühlen als in anderen Geschäften. „Man fü… | |
sich hier als Frau von den Verkäuferinnen verstanden, weil auf den ersten | |
Blick klar ist, dass wir mitreden können“, sagt sie. Vor Kurzem habe auch | |
eine schlanke Verkäuferin bei „Zizzi“ gearbeitet. Die sei weniger gut bei | |
der Kundschaft angekommen, meint Marion. | |
Die junge Frau kehrt mit dem selben Paar Hosen zurück in den Laden und geht | |
mit schnellen Schritten zur Kasse. Marions Empfehlung scheint ihr gefallen | |
zu haben. Ob sie häufiger hier sei? „Ab und zu“, meint die Kundin, „der | |
Laden ist eigentlich ganz gut und das Personal ist immer nett.“ Claudia | |
lächelt. Im Gegensatz zu ihrer Kollegin hat sie erst kürzlich bei „Zizzi“ | |
als Verkäuferin angefangen. „Die Stimmung ist aber immer nett. Wir haben | |
Spaß“, sagt sie und zwinkert Marion zu. | |
Dennoch haben beide Frauen auch unangenehme Momente im Laden erlebt: „Erst | |
letztens waren zwei Freundinnen hier. Beide haben Sachen anprobiert und am | |
Ende auch beide ein Teil gekauft“, erzählt Marion, „und dann kritisiert | |
eine der Freundinnen tatsächlich die andere für ihre Figur, weil die nur in | |
eine L-Hose passt. So etwas macht mich wirklich wütend.“ | |
Sie schüttelt den Kopf: „In so einem Moment denke ich nur: Who the fuck | |
cares? Wir führen Größen bis 56!“, sagt Marion und zeigt den Mittelfinger. | |
Beide Verkäuferinnen lachen auf: Natürlich sei es ihr Job, Kleidung zu | |
verkaufen. Ein gutes Gefühl gibt ihnen aber etwas anderes: „Das schönste an | |
dieser Arbeit ist der Moment, wenn du einer anderen Frau ihre Schönheit | |
zeigen kannst“, sagt Marion. | |
14 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Anastasia Trenkler | |
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