# taz.de -- Bauer wird vom Hof gejagt | |
> Hauke Jaacks kämpft darum, dass er den Hof, den er seit 15 Jahren | |
> bewirtschaftet, kaufen darf. Doch die Eigentümerin hat sich anders | |
> entschieden und verkauft lieber an Immobilienmakler:innen – auch wenn | |
> Jaacks‘ Milchkühe dann vorzeitig zum Schlachter müssen | |
Bild: Ist stolz auf seine Hochleistungskühe: Hauke Jaacks | |
Von Anastasia Trenkler | |
Ein kleiner Spielzeug-Traktor rollt zwischen den großen | |
Landwirtschaftsmaschinen auf den Hof. Der junge Fahrer tritt heftig in die | |
Pedalen und kommt erst vor der Viehweide zum Stehen. „Die da vorne, das ist | |
meine Kuh!“, ruft der Sechsjährige und deutet auf eines der wenigen | |
grasenden Tiere. Sein Vater, Hauke Jaacks, nickt anerkennend. „Wenn mein | |
Sohn später auch Landwirt werden möchte, unterstütze ich ihn natürlich | |
dabei“, sagt der Milchbauer. Seit 15 Jahren ist er Pächter eines Hofs in | |
Hambugs westlichstem Stadtteil Rissen. Gemeinsam mit 15 Mitarbeiter:innen | |
kümmert er sich täglich um rund 340 Tiere, davon 140 Milchkühe: melken, | |
füttern, ausmisten. Bald dürfte damit Schluss sein. | |
Den Betrieb wird Jaacks sehr wahrscheinlich nicht an seinen Sohn | |
weitergeben können. Als sein Pachtvertrag auslief, gab die Eigentümerin, | |
die sich gegenüber der taz nicht äußern möchte, den Hof zum Verkauf frei. | |
„Auch ich hatte ein Kaufgebot abgegeben“, sagt Jaacks. Er sei sicher | |
gewesen, dass er den Hof auch kaufen könne. Doch die Besitzerin verkaufte | |
an ein Ehepaar. Die beiden Immobilienmakler:innen möchten hier eine | |
Pferdezucht mit Pensionspferdehaltung auf dem Gelände etablieren. | |
An wen Eigentümer:innen eine landwirtschaftliche Fläche verkaufen, ist in | |
Deutschland nicht nur eine private Entscheidung. Kaufen dürfen einen | |
solchen Betrieb in der Regel nur Landwirt:innen, die auf die Fläche | |
angewiesen sind. Ansonsten würde eine „ungesunde Verteilung des Grund und | |
Bodens“ entstehen. So steht es im Grundstücksverkehrsgesetz. Auf dieser | |
Grundlage prüft eine Behörde die Veräußerung landwirtschaftlicher Flächen | |
vor dem Verkauf. Bäuerliche Betriebe sollen so erhalten bleiben. | |
Jaacks hält die Entscheidung, dass der Hof, den er seit 15 Jahren | |
bewirtschaftet, an Immobilienmakler:innen verkauft wurde, für unrechtmäßig. | |
„Es sind doch keine Landwirte. Die hätten den Hof gar nicht kaufen dürfen�… | |
meint Jaacks. | |
Doch da die neuen Besitzer:innen eine Pferdezucht betreiben wollen, | |
genehmigte die zuständige Wirtschaftsbehörde den Verkauf. Ihr zufolge sind | |
beide Parteien – der Milchbauer und die Makler:innen – gleichgestellt, weil | |
beide das Gelände auch in Zukunft landwirtschaftlich nutzen wollen. „Das | |
Grundstücksverkehrsgesetz bietet keinen Konkurrenzschutz dergestalt, dass | |
ein Pächter verhindern kann, dass ein anderer Landwirt die Flächen | |
privatrechtlich erwirbt“, erläuterte die Wirtschaftsbehörde der taz. Die | |
Eigentümerin kann also verkaufen, an wen sie will, solange es sich um | |
Landwirt:innen handelt. | |
Jaacks geht nie langsam, sondern zielstrebig – in den Stall zu den Kühen, | |
die ihre Köpfe durch Gitter stecken, um ans Heu zu gelangen, zu den | |
Kälbern, die separat in überdachten Boxen stehen und ins Wohnhaus, an | |
seinen Küchentisch, auf dem Landkarten liegen, auf denen das Grundstück | |
eingezeichnet ist. Jaacks ist gut auf den Besuch von Journalist:innen | |
vorbereitet. Er kämpft mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen | |
die Entscheidung der Wirtschaftsbehörde und gegen den Verkauf. Seine | |
Existenz und die seiner Mitarbeiter:innen hängt daran. | |
Er hat Widerspruch bei der Wirtschaftsbehörde eingelegt – bisher ohne | |
Erfolg. Einen Plan B hat der Landwirt nicht. „Womöglich muss ich die Kühe | |
verkaufen – an andere Landwirte oder den Schlachter“, sagt er – und trägt | |
dann noch dicker auf: „Die Tiere sind für mich auch eine Art Familie.“ | |
Zumindest haben sie auch einen Platz in seinem Wohnzimmer. An der Wand | |
hängen seine prächtigsten Kühe. Die Aufnahmen zeigen die Tiere mit | |
glänzendem Fell, prallen Eutern und Siegerschärpen um den Hals. Jaacks | |
züchtet konventionelle Hochleistungskühe. Ist so ein Hof erhaltenswerter | |
als eine Pferdezucht? | |
„Vorrang sollten in jedem Fall Landwirte haben, die in der | |
Lebensmittelproduktion tätig sind“, sagt Ottmar Ilchmann von der | |
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Der Verbandsvertreter | |
kritisiert die Entscheidung der Hamburger Wirtschaftsbehörde. „Natürlich | |
sind auch Reiterställe legitim, allerdings handelt es sich dabei um eine | |
Form der Freizeitgestaltung.“ Das könne man nicht mit einem Milchhof | |
gleichsetzen. Deshalb plädiert Ilchmann, selbst Milchbauer, für ein neues | |
Bodenrecht mit einem Punktesystem, das die Lebensmittelproduktion | |
bevorzugt. Mittlerweile sind für Reformen des Bodenrechts die Länder | |
zuständig. | |
In Hamburg gibt es rund 625 landwirtschaftliche Betriebe. Viele davon | |
züchten Gartenpflanzen oder bauen Futter an. Aktive Milchbäuer*innen wie | |
Jaacks sind in dem Stadtstaat selten. Gert Kekstadt, der Fachsprecher für | |
Landwirtschaft der Hamburger SPD hält es daher auch für sinnvoll, kleine | |
Betriebe und „in erster Linie die vorhandenen staatlichen Flächen zu | |
schützen.“ Dennoch habe die Wirtschaftsbehörde richtig gehandelt. Sie | |
„hatte meines Erachtens nach keinen Gestaltungsspielraum und hat das | |
geltende Gesetz rechtmäßig umgesetzt.“ | |
Eva Botzenhardt, Grünen-Politikerin des Bezirks Altona, sieht das anders: | |
„Man hätte den Verkauf nicht genehmigen dürfen. Selbst wenn das eine Klage | |
der neuen Besitzer zur Folge gehabt hätte“, sagt sie. Der Fall in Rissen | |
sei vorerst ein Einzelfall, sagt Botzenhardt. Die Gefahr der | |
Bodenspekulation drohe jedoch. Auch deshalb spricht sie sich für ein | |
eigenes Grundstücksverkehrsgesetz in Hamburg aus. | |
In einem Beitrag des NDR äußerte sich auch Bundeslandwirtschaftsministerin | |
Julia Klöckner (CDU). Sie plädiert ebenso für eine Reform des Bodenrechts | |
in den Bundesländern. Ihr zufolge habe einzig Baden-Württemberg ein eigenes | |
Grundstücksverkehrsgesetz verabschiedet. Auch Klöckner will das | |
Vorkaufsrecht von Landwirten auf dem Bodenmarkt stärken. | |
Jaacks kann darauf nicht warten. Die Behörde hat den Verkauf bereits | |
genehmigt. Er muss seinen Betrieb auflösen. Den Auszug konnte der | |
Milchbauer bisher jedoch mittels eines Pachtverlängerungsbegehrens hinaus | |
zögern. Wie lange er noch auf dem Hof leben könne, darüber dürfe er nicht | |
sprechen, sagt Jaacks. Nur so viel: Auf die Frage, ob er im Umzugsstress | |
sei, antwortet er mit einem ganz klaren „Nein!“ | |
13 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Anastasia Trenkler | |
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