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# taz.de -- „Klar tun die sich weh“
> Sieht aus wie echt harter Wettkampf und ist doch vor allem ein Vergnügen
> für die, die zuschauen: Zu Besuch bei einer Wrestlingshow in der
> Hamburger Markthalle
Bild: Massiger Publikums- liebling: der Deutsche „Absolute Andy“ (r.)
Von Sarah Mahlberg
Die Hamburger Markthalle ist ausverkauft. Fans sitzen mit Bierbechern in
den Reihen oder stehen in den Rängen und blicken auf den Boxring. Dort soll
in wenigen Minuten das Match beginnen, denn heute Abend gibt es hier kein
Konzert. Viele tragen Shirts mit ihren Lieblingen darauf – [1][ihren
liebsten Wrestlern]. Einer der Männer hat seinen Sohn mitgebracht,
vielleicht zehn Jahre alt. Ein Kollege kommt rüber, grüßt das Kind: „Alles
klar, Großer?“ – und tauscht mit dem Vater einen Herrenwitz aus, der von
beiden Ehefrauen handelt.
Durch die Lautsprecherboxen ertönt ein Hinweis: Was gleich auf der Bühne
geschehen werde, solle man keinesfalls zu Hause nachmachen. Aber weiß nicht
jeder im Saal, dass die Kämpfe nicht echt sind? Wrestling ist ein
Scheinwettkampf, bei dem die Kämpfer – doch: es gibt auch Kämpferinnen –
brutal aussehende Aktionen durchführen, aber dem Gegner dabei möglichst
wenig schaden. Wer gewinnt, steht vorher fest. Ist das alles überhaupt
Sport?
„Natürlich“, sagt eine Frau aus dem Publikum. Ihr Name ist „Mel“, sagt…
und dass sie seit ihrer Kindheit regelmäßig Matches besucht. Auch bei einem
Training sei sie schon dabei gewesen. „Die lernen genau, wie sie richtig
fallen und Schläge und Tritte sicher ausführen. Man will dem Gegner ja
nicht wehtun.“ Im Grunde sei Wrestling ein auf Vertrauen basierender
Partnersport – ein wenig wie Capoeira. „Das Schauspielerische ist aber mehr
Soap Opera“, sagt Mel.
In den Ring hüpfen jetzt zwei Iren mit Spitzbärten und roten Speedos. Sie
kämpfen gegen ein deutsches Duo: den blonden Jay Skillet und einen
Glatzkopf namens „Absolute Andy“. Als der seinen massigen Körper in den
Ring schiebt, brüllt das Publikum vor Begeisterung: Andy ist jetzt schon
ihr Favorit. Jay merkt das und versucht durch Siegerposen zu begeistern –
und erntet Buhrufe.
Team-Matches funktionieren durch Auswechseln und Abschlagen: Während die
Iren sich schnell geeinigt haben, wer zuerst kämpft, stellt es sich beim
Deutschen-Duo schwieriger dar: Immer wieder drängt Jay sich nach vorne und
schimpft. Es ist offensichtlicher Slapstick, aber die Zuschauer*innen
reagieren mit Gebrüll: Andy soll anfangen. „Schürrle auf die Bank!“ johlt
die Menge begeistert – tatsächlich sieht der andere Wrestler dem
Fußballspieler André Schürrle wirklich ähnlich.
Und doch darf „Schürrle“ am Ende anfangen, nicht der beliebtere Andy: Er
rennt in die Mitte und schlägt zu. Der irische Gegner taumelt kurz, nimmt
den anderen in den Schwitzkasten und drückt ihn zu Boden. Der
Schiedsrichter wirft sich neben die beiden und schlägt ab: „Eins!“, schreit
das Publikum. Und „zwei!“ Kurz bevor der Referee ein drittes Mal schlagen
kann, das wäre die Niederlage für Andy und „Schürrle“, kann dieser sich …
dem Griff befreien. „Das passiert immer“, erklärt ein kleines Mädchen im
Publikum ihren Eltern.
„Schürrle“ verpasst dem Gegner einen Schlag; der andere springt ihm auf den
Rücken, zusammen krachen sie auf den Boden. „Andy, mach was!“, brüllt ein
Zuschauer. „Jetzt reiß‘dich mal zusammen!“, brüllt auch der bullige
Wrestler, und mit scheinbar letzter Kraft kommt sein Kollege an den Rand,
schlägt ab – endlich ist Andy dran.
„Mach‘ihn fertig! Hau‘ihn tot! Reiß‘ihm den Arm ab!“, brüllen jetzt…
durcheinander. Beide Iren sind im Ring, das ist verboten, und der Schiri
schimpft: mit erhobenem Finger, aber ohne Folgen. Andy rennt mit gesenktem
Kopf auf die beiden zu, sie machen einen Bocksprung über seinen Rücken
hinweg. Er rennt ins Ringseil, wird zurückgeschleudert, stürzt und begräbt
beide Gegner unter sich. Die Iren setzen auf Salti und Tritte, Andy setzt
auf sein Gewicht und entscheidet die Runde am Ende für sich.
Dann schleudert er die beiden aus dem Ring ins Publikum, wo sie
liegenbleiben. Die Sanitäterin hat auch schon das Eis parat. „Die brauchen
viel davon nach so ‚nem Kampf“, sagt sie resolut. Alles nur Show, aber:
„Klar tun die sich weh.“ Mehr als Eis zum Kühlen habe sie bei solchen Shows
aber noch nicht gebraucht. Doch: Ein Mal habe sie einen Kreislaufkollaps
behandeln müssen – bei einem überhitzten Fan.
24 Feb 2020
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## AUTOREN
Sarah Mahlberg
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