# taz.de -- heute in bremen: „Marx hat verschiedene Natur-Begriffe“ | |
Interview Sophie Lahusen | |
taz: Herr Quante, hätte der junge Marx bei Fridays for Future mitgemacht? | |
Michael Quante: Er hätte nicht praktisch mitgemacht, aber die Bewegung | |
theoretisch unterstützt. Er hätte es aber in jedem Fall begrüßt, dass eine | |
große Gruppe politischer Subjekte für ein allgemeines Ziel zusammenkommt. | |
Er hätte aber auch einige kritische Anmerkungen an die Fridays gehabt. | |
Zum Beispiel? | |
Er hätte zum einen gesagt, dass man die ökologischen Fragen nicht | |
beantworten kann, wenn man die ökonomische Struktur nicht analysiert, und | |
zum anderen, dass ökologische Ziele innerhalb einer kapitalistischen | |
Weltordnung nicht zu erreichen sind. | |
Wieso ist das so? | |
Marx glaubt, dass zwischen einer kapitalistischen Gesellschaftsform und | |
einem Respekt gegenüber der Natur ein Grundwiderspruch liegt. Der | |
Kapitalismus ist immer auf Maximierung und ein unendliches Wachstum aus. | |
Die Natur und ihre Ressourcen sind dagegen endlich. | |
Was war die Natur denn für Marx? | |
Marx hat, wie unsere Alltagssprache auch, sehr verschiedene und miteinander | |
unvereinbare Naturbegriffe, die immer unterschieden werden müssen. Einer | |
ist die Natur als Gegenbegriff zum Übernatürlichen. Als Religionskritiker | |
war Marx gegen die Vorstellung von Schöpfung und Übernatürlichem, die Natur | |
steht dem entgegen und bedeutet das Diesseits. Daran anlehnend hätte er | |
auch Fridays for Future kritisiert, die oft eine Schöpfungsvorstellung der | |
Natur haben, urchristliche Gedanken. Ein ganz anderer Naturbegriff ist | |
dagegen beispielsweise die Natur als Ressource für die Selbsterhaltung des | |
Menschen. | |
...und er war sich über die Endlichkeit der Ressourcen bewusst. Hat er die | |
Klimakrise kommen sehen? | |
Marx vertritt die These, dass der Kapitalismus die Ressourcen maßlos | |
verbrauchen und zerstören wird. Bei Marx findet man sinngemäß Aussagen wie: | |
„Der Kapitalismus zerstört die Erde“, womit er die industrielle Ausbeutung | |
in der Landwirtschaft seiner Zeit meinte. | |
Also ein Klimafreund? | |
Wenn man mich fragt, ob Marx ein grüner Marx war, sage ich: Jein. Marx war | |
weder Grüner, noch Antigrüner. Er war für eine maßvolle Begrenzung des | |
Ressourcenverbrauchs, hat sich aber gleichzeitig immer für den technischen | |
Fortschritt und beispielsweise die Leistungssteigerung der Landwirtschaft | |
durch Dünger interessiert. Letztlich wäre es ihm um die Integration des | |
Menschen in die Gesamtnatur gegangen. | |
Kann Marx für die Klimadebatte also nützlich sein? | |
Man kann bei Marx keine Rezepte finden, aber seine Analysen können trotzdem | |
helfen. Ich bin immer dagegen, seine Texte wie eine Bibel zu behandeln, | |
was aber eine lange Tradition hat, auch in linken Kreisen. Er ist ein | |
kritischer Analytiker, aber weder ein Messias noch ein Rezeptegeber. | |
25 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Sophie Lahusen | |
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