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# taz.de -- heute in bremen: „Überlebende müssen Folter selbst beweisen“
Interview Sophie Lahusen
taz: Frau Schmolze, Sie arbeiten mit Folterüberlebenden. Wie hilft Ihnen
das Istanbul-Protokoll dabei?
Bianca Schmolze: Das Istanbul-Protokoll ist ein UN-Manual zur
gerichtsfesten Dokumentation von Folterfolgen. Es wurde 1996 von
forensischen Experten erarbeitet; die UN hat es als internationalen
Standard anerkannt. Vor allem seit 2015 mit der Ankunft von vielen
Geflüchteten ist es sehr relevant, denn viele Geflüchtete sind
Folterüberlebende. Leider ist das Perfide am deutschen Asylverfahren, dass
sie die Folter selbst beweisen müssen. Aufgrund von Traumata können
Folterüberlebende ihre Erfahrungen aber oft gar nicht oder nur fragmentiert
schildern.
Ist Erfahrung von Folter ein Grund zur Vergabe von Asyl? Folter an sich ist
erst mal kein Asylgrund, doch kann eine Abschiebung verhindert werden, wenn
der Person im Herkunftsland erneut Folter oder andere schwere
Menschenrechtsverletzungen drohen. Auch der gesundheitliche Zustand
aufgrund einer Traumatisierung kann eine Abschiebung verhindern, daher ist
es wichtig Folterfolgen frühzeitig und interdisziplinär zu dokumentieren.
Wie kann das Istanbul-Protokoll helfen?
Wir als psychosoziale Einrichtungen für Überlebende von Folter können mit
Psycholog*innen und Gerichtsmediziner*innen anhand des Istanbul-Protokolls
interdisziplinäre Stellungnahmen erarbeiten, mit denen wir nachweisen, dass
der Klient oder die Klientin körperliche oder seelische Folgen von Folter
aufweist. Diese Stellungnahmen können zu einer Verbesserung des
Aufenthaltsstatus führen, sie ermöglichen aber auch rechtliche Schritte
gegen die Täter.
Reicht das?
Dass das Istanbul-Protokoll überhaupt Anwendung findet, liegt vor allem an
unserer Arbeit in den psychosozialen Zentren. Die Bundesregierung tut hier
viel zu wenig, vor allem was die frühzeitige Erkennung von
Folterüberlebenden wie auch die Finanzierung spezialisierter Einrichtungen
angeht. Dabei hat sie eine Verpflichtung, einen adäquaten Zugang zu
Rehabilitation zu ermöglichen. Ohne die Arbeit von Flüchtlingshilfen würden
die Betroffenen ihre Rechte nicht kennen, aber das scheint leider im
Interesse der Bundesregierung.
26 Feb 2020
## AUTOREN
Sophie Lahusen
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