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# taz.de -- heute in hamburg: „Russen sind schon ziemliche Chaoten“
Interview Thilo Adam
taz: Frau Smokotova, spüren Sie als gebürtige Russin noch kulturelle
Unterschiede zu Ihrem deutschen Mann?
Olga Smoktova: Mein Mann dreht durch, wenn ich nur in Andeutungen mit ihm
spreche. Russen sagen nur die Hälfte von dem, was sie meinen.
Gesichtsausdruck, Situation, sozialer Status sind sehr wichtig. Man spricht
von High-Context-Kommunikation: Ganz viel wird unausgesprochen
vorausgesetzt.
Ist das in Deutschland anders?
Die Deutschen sprechen sehr präzise und unmissverständlich.
Wir drucksen doch auch mal rum – sind das nicht alles nur Vorurteile?
Vorurteile haben ja oft einen wahren Kern. Russen sind schon ziemliche
Chaoten. In einem Land mit im Schnitt acht Menschen pro Quadratkilometer,
mit extremer Kälte mussten sie das historisch auch sein – da ist
Improvisation und Anpassung gefragt. Wenn die Bedingungen mal passten,
musste alles gleichzeitig erledigt werden, dann ging’s drüber und drunter.
Wo hört das sympathisch-augenzwinkernde Klischee auf, wo fängt Rassismus
an?
Ich wurde jetzt mehrfach gefragt, ob es bei dem Vortrag Wodka zu trinken
gibt. Das finde ich schon grenzwertig.
Wieso beleuchten Sie trotzdem die Unterschiede?
Es gibt so viel unausgesprochenen Argwohn. Wenn man die Gründe für
bestimmte Verhaltensweisen kennt, versteht man sich besser.
Sie beraten deutsche Geschäftsleute, die in Russland arbeiten. Was wollen
die wissen?
Manche sind beleidigt, wenn ihnen russische Frauen nicht die Hand geben.
Andere wundern sich, wenn sie gebeten werden, in fremden Häusern die Schuhe
auszuziehen. Und viele Businessmänner müssen sich an die kollektivistische
Haltung in Russland gewöhnen.
Stammt die aus der Sowjetzeit?
Die Wurzeln sind viel älter. Das hat viel mit dem orthodoxen Glauben zu
tun. Ein russischer Religionsphilosoph hat einmal gesagt: Katholizismus ist
Einheit ohne Freiheit, Protestantismus Freiheit ohne Einheit und Orthodoxie
ist Einheit in Freiheit und Freiheit in Einheit.
Ganz schön große Worte.
Gemeinschaft! Brüderlichkeit! Die Russen sind emotionsstark. Deutsche sind
manchmal etwas trocken. Mein Mann und ich merken aber: Das ergänzt sich
ganz gut.
28 Feb 2020
## AUTOREN
Thilo Adam
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