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# taz.de -- taz🐾thema: Viele Siegel, viele Fragen
> Nur ein Drittel der Verbraucher forscht nach, was hinter einem
> unbekannten Siegel steckt, ergab eine Befragung der Verbraucher
> Initiative e. V. im Jahr 2016
Das Biosiegel der Europäischen Union war der kleinste gemeinsame Nenner,
auf den sich die Mitgliedstaaten einigen konnten. Die EU-Ökoverordnung
regelt zum Beispiel Inhaltsstoffe. Die Grundzutaten der Produkte, die mit
dem grünen Blatt gekennzeichnet sind, müssen zu 95 Prozent aus dem
Biolandbau stammen. Farbstoffe und Geschmacksverstärker, Stabilisatoren und
künstliche oder naturidentische Aromen sind verboten, ebenso synthetische
Süßstoffe. Landwirte dürfen keinen Stickstoffdünger und keine Pestizide
einsetzen. Sie müssen allerdings auch nicht hundertprozentige Ökolandbauern
sein und dürfen andere Teile ihrer Flächen konventionell bewirtschaften.
Ein Acker mit Biogemüse kann neben einem Feld liegen, das mit
Unkrautvernichter besprüht wird. Bioprodukte dürfen zudem pro Zutat 0,9
Prozent gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten.
Bei der Tierhaltung untersagt die Verordnung unter anderem, Tiere mit
Hormonen und prophylaktischen Antibiotika zu füttern, und schreibt
Ökofuttermittel vor. Massentierhaltung ist so aber weiterhin möglich: Bis
zu 3.000 Hühner dürfen gemeinsam in einen Stall gesteckt werden, und der
Platz für ein ausgewachsenes Mastschwein beträgt 1,2 Quadratmeter im Stall
plus Auslauf.
Auch das Biosiegel des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
(BMEL) richtet sich nach der EU-Ökoverordnung. Verheißen andere Label, etwa
die der großen Ökoverbände, mehr Bio? Das Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat mit siegelklarheit.de
eine Website aufgesetzt, auf der es über Siegel aus verschiedenen
Produktgruppen informiert, auch der Naturschutzbund Deutschland e. V.
(NABU) bietet einen Siegelcheck als App und Galerie (siegelcheck.nabu.de).
Außerdem sammelt label-online.de solche Kennzeichnungen. Wer hier nach dem
Anbauverband Demeter sucht, findet eine Beurteilung („trägt wesentlich zu
ökologischen Verbesserungen im Anbau und bei der Verarbeitung von
Nahrungsmitteln bei“) und eine Bewertung: „Besonders empfehlenswert“ –
dieselbe Bewertung erhält aber auch das Siegel „Pro Planet“ des
Rewe-Konzerns, der so seine Röstzwiebeln als ressourcenschonend adelt. Die
Website des Bundesministeriums bewertet Demeter überhaupt nicht, notiert
aber, der Anbauverband gehe mit „eigenen Anforderungen“ über die Kriterien
des EU-Biosiegels hinaus. Der Nabu ist direkter: „Noch besser als normale
Bioprodukte!“, findet er, aber auch hier ist zu lesen, die Richtlinien von
Demeter gingen „über die Bio-Mindestkriterien der EU hinaus“. Dazu zählten
die „Gesamtbetriebsumstellung auf bio“, „weniger Zusatzstoffe in
Lebensmitteln“ und „weniger Geflügel und Schweine pro Hektar Fläche“.
Dass hinter den großen Ökoverbänden wie Demeter, Naturland und Bioland nur
Betriebe stehen, die komplett auf den Ökolandbau umgestellt haben, dürfen
Verbraucher erwarten. Dass Produkte mit ihrem Siegel zu 100 Prozent aus
Biozutaten bestehen und gentechnikfrei sind, selbstverständlich auch. Womit
die Verbände die Mindestkriterien der EU übertreffen, steht vor allem in
ihren Richtlinien zum Düngen. Naturland zum Beispiel beschränkt die eigene
organische Düngermenge auf 112 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr und
erlaubt zugekauften Dünger aus konventioneller Landwirtschaft nur als
Festmist, Geflügelmist ist verboten. Ganz ähnlich verfahren Bioland und
Demeter, bei Demeter muss zugekaufter Stickstoffdünger ab 2030 aus
ökologischer Herkunft stammen. Die EU-Ökoverordnung erlaubt weitaus mehr.
Der Grenzwert liegt hier bei 170 Kilogramm Stickstoff pro Jahr und Hektar.
Es gibt aber keine Einschränkung der Menge, und der zugekaufte Dünger darf
Gülle, Jauche und Geflügelmist sein.
Verantwortliche Landwirte werden Mindeststandards nicht nur einhalten,
sondern überbieten, besonders bei der Tierhaltung. Dennoch liegen die
Regeln der Verbände nicht so weit von der EU-Verordnung entfernt, wie man
vermuten möchte: Auch sie erlauben 3.000 Hühner in einem Stall, und der
Platz, den ein schwergewichtiges Schwein einnehmen darf, beträgt 1,5 statt
1,2 Quadratmeter plus Auslauf. Es bleibt also dabei: Verbraucher:innen, die
wissen wollen, was sie essen, müssen weiterhin eigenständig nachforschen
und ihre persönlichen Siegel selbst verteilen.
12 Feb 2020
## AUTOREN
Carola Rönneburg
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