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# taz.de -- nord🐾thema: Wenn aus dem Minijob eine Minirente wird
> Die Grünen wollen im Bundestag dafür eintreten, dass Minijobs in
> sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze umgewandelt werden
Von Niels Holsten
Wer in einem Minijob festsitze, „bekommt häufig zu wenig Lohn, hat weniger
Urlaub und wird in seinen Rechten beschnitten. Aus dem Minijob wird dann
auch noch eine Minirente“, sagt Hamburgs DGB-Vorsitzende Katja Karger.
„Minijobs führen in die Job-Sackgasse. Viele kommen da nicht mehr raus“.
Betroffen seien hier insbesondere Frauen, die häufiger als Minijobber
arbeiteten als Männer.
2003 erhöhte die rot-grüne Bundesregierung die Verdienstgrenze für
geringfügige Beschäftigung von 325 auf 400 Euro und befreite sie auch für
Arbeitnehmer mit einem versicherungspflichtigen Hauptjob von der
Abgabenpflicht. Der Nebenjob war nun auch für diese Gruppe steuer- und
sozialabgabenfrei. Auch die Begrenzung der Wochenarbeitszeit entfiel.
Brutto gleich Netto lautete die Formel. Nur der Arbeitgeber zahlt für
seinen Minijobber. Gut 30 Prozent werden zur Zeit pauschal fällig, für
einen regulären Arbeitsplatz sind es rund 21 Prozent. 2013 wurde die
Verdienstgrenze noch einmal auf 450 Euro erhöht.
## Ein Minijobber-Boom
Der Arbeitsmarkt sollte für die Unternehmen flexibler werden und Anreize
für Arbeitnehmer geschaffen werden, Arbeit auch im Niedriglohnsektor
aufzunehmen. Einen regelrechten Boom hat das ausgelöst. Von 5,7 Millionen
im Jahr 2003 auf knapp 7,6 Millionen stieg die Zahl der Minijobber an.
Insbesondere die Anzahl der Menschen, die einen Minijob neben ihrem
Hauptjob machen, verdreifachte sich nahezu, von einer Million auf rund drei
Millionen. Dennoch, gut 60 Prozent der Minijobber haben kein anderes
Einkommen.
Die Grünen wollen nun Minijobs in sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze umwandeln. Das hat der Bundesvorstand am 7. Januar diesen
Jahres auf seiner Klausurtagung in Hamburg beschlossen.
„Das Konzept Minijob passte vielleicht damals in die Zeit mit fünf
Millionen Arbeitslosen, aber nicht in die heutige mit Fachkräftemangel“,
sagt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion
Beate Müller-Gemmeke. „Die 450-Euro-Grenze ist wie eine unsichtbare Hürde.�…
Sie halte viele davon ab, mehr zu arbeiten. Sie blieben hängen und gerieten
später in die Altersarmut.
Wie eine neue Regelung genau aussehen soll steht noch nicht fest. Schüler,
Studenten und Rentner möchte auch Müller-Gemmeke weiterhin „eine Art
abgabenbefreiten Minijob“ ausführen lassen. Für alle anderen könnte gelten:
„Je kleiner der Job, je mehr Abgaben werden vom Arbeitgeber übernommen“, so
die Grüne.
Die meisten Minijobs gibt es in der Gastronomie, dem Einzelhandel und der
Gebäudebetreuung. Hier sind 30 bis über 40 Prozent der Angestellten
geringfügig angestellt. Aber eine gemeinsame Haltung scheint es unter den
Branchen nicht zu geben. Der Bundesinnungsverband der Gebäudedienstleister
teilt die Haltung der Grünen und meint, dass die Abschaffung der
Steuerklasse V „zwingend“ zur Minijob-Reform gehöre. Diese führe zu
„überdurchschnittlichen hohen Abzügen vom monatlichen Bruttolohn“. Es wird
einzig angemahnt, dass die Sozialversicherungspflicht nicht zu
„Extra-Verwaltungsaufwand“ führen dürfe.
Eine andere Sicht hat der Dehoga, der Deutsche Hotel- und
Gaststättenverband. Geschäftsführerin Sandra Warden sieht die Minijobs als
Erfolgsmodell: „Sie geben Unternehmen und Mitarbeitern Flexibilität und
Luft zum Atmen“, sagt Warden. In der Freizeit- oder Eventgastronomie müsse
sehr flexibel auf Stoßzeiten reagiert werden. Dafür seien die Minijobs
unerlässlich. Das würde Beschäftigung sichern und „aufgrund ihrer
finanziellen Attraktivität für die Arbeitnehmer die Abwanderung in die
Schwarzarbeit verhindern“. Sie sieht allerdings eine „schleichende
Entwertung“ der Minijobs.
Durch steigende Löhne in Verbindung mit einer starren Verdienstobergrenze
von 450 Euro dürften die Minijobber immer weniger Stunden arbeiten, so
Warden. Die Dehoga fordert, dass die Minijob-Verdienstgrenze an die
Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns gekoppelt wird. Sich also
letztlich mit ihm nach oben verschiebt. Das würde bedeuten, das Minijobber
aktuell mit der Erhöhung des Mindestlohn zum 1. Januar auf 9,35 Euro, 500
Euro verdienen könnten.
## Rentner profitieren
Für die Gewerkschafter vom DGB gehen die Flexibilisierungswünsche der
Unternehmen nur auf Kosten der Arbeitnehmer. So seien Minijobber nicht
arbeitslosenversichert, würden nur ein vergleichsweise geringes einmaliges
Mutterschaftsgeld erhalten und gar kein Krankengeld bei Erkrankung des
Kindes. Minijobbern „entgehen zahlreiche Ansprüche und Vorteile der
Sozialversicherung“ kritisiert der Minijob-Report des DGB-Hamburg. Von der
Abgabenfreiheit würden nur die profitieren, die einen „einigermaßen gut
bezahlten Hauptjob“ hätten oder bereits abgesicherte Rentner.
Gestützt werden die Aussagen von Studien der Bundesagentur für Arbeit.
Demnach bekommen nur etwa die Hälfte der unbefristet angestellten
Minijobber bezahlten Urlaub oder eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Dabei gelten auch bei Minijobs die gleichen arbeitsrechtlichen
Bestimmungen. Doch laut IAB-Studie wird die Unwissenheit darüber
ausgenutzt. Gewerkschafterin Kargers Fazit: „Minijobs schaden der
Gesellschaft mehr, als dass sie einen Nutzen bringen.“
1 Feb 2020
## AUTOREN
Hannes Vater
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