# taz.de -- Ovationen für den Ersatzkeeper | |
> Mit der Hereinnahme von Torhüter Johannes Bitter sichert der stark | |
> kritisierte Bundestrainer Christian Prokop den Sieg gegen Österreich | |
Bild: Immer engagiert: Johannes Bitter hält das Team zusammen | |
Aus Wien Michael Wilkening | |
Vor dem Nachbarschaftsduell gegen Österreich drehte sich noch fast alles um | |
Bundestrainer Christian Prokop. Auch aus dem Kreis ehemaliger | |
Handballnationalspieler wurden Zweifel an dessen Kompetenzen laut, nachdem | |
klar war, dass das deutsche Team das Ziel EM-Halbfinale nicht mehr | |
erreichen kann. | |
Nach dem klaren 34:22-Prestigeerfolg gegen Österreich stand jedoch ein | |
anderer Mann im Mittelpunkt. Johannes Bitter, der nach 15 Minuten für den | |
wenig überzeugenden Andreas Wolff ins Tor gerückt war. Und der erfahrene | |
Keeper sprang nach einer Glanzleistung seinem Coach zur Seite. Der | |
37-Jährige sagte: „Die Gemeinschaft zwischen Mannschaft und Trainer steht, | |
egal was passiert. Wir sind wieder perfekt vorbereitet worden.“ Prokop | |
selbst hat sich vor den Mikrofonen wenig von der Kritik aus der Ruhe | |
bringen lassen. Er konstatierte nach der Partie: „Wir haben eine tolle | |
Entwicklung genommen. Wir hatten sehr viele Absagen vor diesem Turnier. Ich | |
habe trotzdem bewusst an den Zielen festgehalten, um diese Mannschaft auch | |
mental nicht zu schwächen, sondern um uns hochzuhangeln.“ | |
Am Montagabend hatte Bitter den wohl schönsten Moment im Kreise der Auswahl | |
des Deutschen Handballbundes (DHB) nach dem WM-Gold vor 13 Jahren, denn | |
beim 34:22-Sieg gegen Österreich avancierte der Torwart zum Matchwinner – | |
und sagte anschließend: „Ich muss erst mal zu Hause anrufen und fragen, was | |
da los ist.“ | |
Es dürfte viel los gewesen sein, denn Bitter überragte beim Sieg gegen die | |
Österreicher dermaßen, dass er minutenlang mit „Jogi-Jogi“-Sprechchören | |
gefeiert wurde. Die Fans ließen den WM-Helden von 2007 hochleben und der | |
Keeper genoss die Ovationen. „Das war wunderschön“, sagte er. Bitter hatte | |
nach seiner Einwechslung 15 Paraden gezeigt und mit einer Fangquote von 54 | |
Prozent einen fast überirdischen Wert erreicht. Die deutschen Zuschauer in | |
der Wiener Stadthalle ließen ihn dafür hochleben. | |
Aber nicht nur wegen der Paraden ist der Rückkehrer beliebt. „Es ist schön, | |
wenn eine Leistung so honoriert wird, aber ich denke, das war nicht nur für | |
heute. Ich glaube, die Fans spüren, dass ich alles für die Mannschaft gebe, | |
auch wenn ich nicht spiele“, erklärte er – und hatte recht mit seiner | |
Einschätzung. Bitter ist zu einer prägenden Figur nach außen und innen | |
geworden. „Das war mega“, lobte Nationalspieler Uwe Gensheimer. | |
Bemerkenswert positiv reagierte Andreas Wolff auf die Leistung seines | |
Torhüterkollegen. Wolff gilt als sehr ehrgeizig, sah von der Bank aus, wie | |
Bitter gefeiert wurde – und trat anschließend in den Chor der Gratulanten | |
ein: „Überragend, mehr brauche ich glaube ich nicht sagen.“ Die Nummer eins | |
in der deutschen Torhüter-Rangliste lobte seinen Kollegen aber auch über | |
die sportliche Leistung hinaus. „Jogi war bei diesem Turnier eine | |
emotionale Stütze für mich. Es macht wirklich Spaß, mit ihm ein Torhüterduo | |
zu bilden.“ | |
Es war eine Art „Königstransfer“ von Christian Prokop, sich für eine | |
Neubesetzung auf der Torhüterposition zu entscheiden. Jahrelang bildeten | |
Wolff und Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) das Duo. Die beiden | |
Klassekeeper fanden aber nie zu einem Team zusammen, es harkte zwischen den | |
ehrgeizigen Schlussmännern. Die Folge war, dass beide sich ungewollt daran | |
hinderten, auf das höchste Niveau zu kommen. Bei Wolff und Bitter ist es | |
umgekehrt, sie sind in der Lage, sich gemeinsam zu steigern. Das führt | |
nicht in jeder Partie zu einer Weltklasseleistung, aber die | |
Voraussetzungen dafür sind durch den Rückkehrer besser geworden. | |
Bitter gibt dem Team mehr als die Weltklasseparaden gegen Österreich, das | |
wird immer dann deutlich, wenn Andreas Wolff auf dem Feld steht. Von der | |
Bank aus agiert der erfahrene Schlussmann als Antreiber, Motivator und | |
Seelentröster. Er steht beinahe mehr vor seinem Platz, als dass er sitzt. | |
Rückraumspieler Fabian Böhm sagte: „Er ist ein Ruhepol, er ist ein | |
Gute-Laune-Bär, er strahlt Sicherheit aus. Jogi gibt der Mannschaft eine | |
gewisse Sicherheit, auch durch sein Alter und seine Routine. Er ist ein | |
sehr, sehr wichtiger Anker bei uns im Team.“ Johannes Bitter gibt den | |
deutschen Handballern mehr als Paraden. Wieso das so ist, erklärte er mit | |
einfachen Worten: „Ich habe einfach unglaublich viel Spaß am Handball und | |
an dieser Mannschaft.“ | |
22 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Michael Wilkening | |
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