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# taz.de -- heute in bremen: „Die Résistance wollte ihn zuerst gar nicht, di…
Interview Sophie Lahusen
taz: Herr Schöttler, Sie halten einen Vortrag über Marc Bloch. Wer war er?
Peter Schöttler: Marc Bloch war ein französischer Mittelalterhistoriker,
Professor an der Sorbonne, ein großer Gelehrter. Aber auch ein engagierter
Bürger, der im Zweiten Weltkrieg Teil der Résistance wurde. 1944 wurde er
von der Gestapo festgenommen, gefoltert und schließlich ein paar Tage nach
der Landung der Alliierten in der Normandie als Widerstandskämpfer auf
freiem Feld erschossen.
Bloch meldete sich im Zweiten Weltkrieg freiwillig und verarbeitete seine
Erlebnisse nach dem Waffenstillstand von 1940 in dem Werk „Die seltsame
Niederlage“. Was macht dieses Werk so besonders?
Dieses Buch ist kein typisches Erinnerungsbuch, es ist eher der Versuch
einer kritischen Gesellschaftsanalyse, das Programm einer Zeitgeschichte.
Bloch war ja von Beruf Mediävist, doch wegen dieses Buches wird er zu Recht
auch als Zeithistoriker bezeichnet.
Deutete sich mit diesem Werk schon seine spätere Tätigkeit in der
Résistance an?
Das Buch wurde erst nach dem Krieg veröffentlicht, aber er deutet darin
sehr klar an, dass er bereit ist, sein Leben zu opfern. Er fragt in dem
Werk „Was haben wir falsch gemacht?“ und kritisiert die französische
Gesellschaft scharf, so konservativ gewesen zu sein, und lieber Hitler als
die Volksfront gewählt zu haben. Er hält den Finger also genau in die
Wunde.
Bloch ist schon 56 Jahre alt, als er der Résistance beitritt, welche Rolle
hatte er dennoch?
Es stimmt: die Leute in der Résistance wollten ihn zuerst gar nicht, diesen
alten Professor mit seinem Krückstock. Aber schnell hat sich
herausgestellt, dass Bloch eine extrem organisierte und systematisch
denkende Person war, wodurch er gewissermaßen zum logistischen Kopf in der
Bewegung wurde.
Heute ist Bloch nicht nur als Widerstandskämpfer, sondern auch als
Historiker berühmt, wieso?
Zu Blochs Zeit, Anfang des 20. Jahrhunderts, war Geschichte vor allem die
Geschichte großer Männer. Bloch brachte mit der Zeitschrift „Annales“ zum
ersten Mal ein Fachorgan heraus, in dem es um Gesellschaftsgeschichte ging,
und zwar extrem interdisziplinär. Die alten Traditionen wurden aufgegeben
und dafür gab es jetzt Schnittstellen mit der Soziologie und Ethnologie,
damals noch extrem junge Wissenschaften. Auch wichtige spätere Werke etwa
von Foucault bewegen sich in den Spuren der „Annales“.
Und wieso gilt Bloch oft als „deutsch-französische“ Person, nach der auch
ein Institut der Humboldt-Universität benannt wurde?
Das ist eher eine nachträgliche Geschichte, eine Art Hommage an einen
Deutschlandkenner, der aber von den Deutschen ermordet wurde. Bloch war
eigentlich nicht germanophil, sondern anglophil, aber er hat sich sehr für
Deutschland interessiert. Er konnte auch gut Deutsch. Umso entsetzter war
er über die Nazis. Als er Hitler im Radio hörte, sagte er: „Il parle comme
un cochon“, Hitler spreche Deutsch wie ein Schwein.
6 Feb 2020
## AUTOREN
Sophie Lahusen
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