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# taz.de -- heute in hamburg: „Es ging um Vernichtung durch Arbeit“
Interview Thilo Adam
taz: Das KZ Neuengamme hatte fast 90 Außenlager, darunter eines in
Langenhorn. Was weiß man über die Inhaftierten dort?
René Senenko: Der Standort Langenhorn war ein Frauen-KZ. Etwa 750 Jüdinnen,
Sintize und Rominja waren dort im letzten Kriegsjahr inhaftiert. Sie wurden
aus der Tschechoslowakei, Ungarn, Litauen und Polen hierher verschleppt.
Warum nach Langenhorn?
Das war einer der größten Rüstungsproduktionsstandorte Hamburgs. Im
Hanseatischen Kettenwerk und bei der Meßapparate GmbH wurden Tausende
Arbeitskräfte gebraucht, weil die Facharbeiter alle zur Wehrmacht
eingezogen waren. Die wurden dann durch Zwangsarbeiterinnen aus dem KZ,
aber auch durch Männer ersetzt. Direkt neben dem Frauenlager war das
Ostarbeiterlager Tannenkoppel.
Wie war der Alltag der Frauen?
Sie hausten in Baracken und mussten in zwei Schichten von jeweils zwölf
Stunden Granathülsen und Zeitzünder zusammenbauen. Die Arbeiterinnen waren
unterernährt, es mangelte an allem: Nahrung, Heizung, Kleidung, Schlaf.
Eigentlich waren sie zur Arbeit gar nicht mehr in der Lage. Die SS verlieh
sie trotzdem an die Rüstungsfabriken und ließ sich dafür bezahlen.
Die Wachleute haben die Frauen gerade so arbeitsfähig gehalten?
Nicht mal diese grausam betriebswirtschaftliche Art der Rücksicht gab es.
Es ging um Vernichtung durch Arbeit. Der SS war klar, dass diese Frauen
alle zur Auslöschung vorgesehen waren.
Wurden Insassinnen auch ermordet?
An dem Ort, wo das Lager stand, an der heutigen Essener Straße, sind 50
Stolpersteine im Gehweg. Auf 49 davon stehen die Namen von Säuglingen, die
im Lager umkamen. Man muss leider annehmen, dass es wesentlich mehr waren.
Man hat den Frauen die Kinder weggenommen und die dann absichtsvoll im
Krankenhaus Ochsenzoll verhungern lassen.
Wie ging es nach Kriegsende mit den Inhaftierten weiter?
Am Tag der Befreiung Hamburgs endete die Rüstungsproduktion in Langenhorn.
Die Frauen waren auf einmal frei. Aber auf den Straßen herrschte Chaos.
Häftlingsmärsche zogen nach Norden. Viele der Frauen kamen nach Schweden
und wurden dort vom Roten Kreuz betreut. Andere mussten noch Monate in
Hamburg bleiben, bis die Suchdienste ihre Rückkehr in die Heimatländer
möglich machten.
31 Jan 2020
## AUTOREN
Thilo Adam
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