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# taz.de -- heute in hamburg: „Wir glauben, es fehlt am Willen“
Interview Thilo Adam
taz: Herr Hentschel, wie viele Quadratmeter braucht man, um angemessen an
Nazi-Verbrechen zu erinnern?
Ulrich Hentschel: Angemessen wäre sicher ein ganzes Haus. Das ist im Falle
des Stadthauses natürlich unrealistisch. Es gibt aber eine Schamgrenze. 50
Quadratmeter ist einfach unwürdig, um an die Gestapo-Zentrale in diesem
Gebäude zu erinnern, an Folter und Terror.
Die gestern eröffnete Gedenkstätte im „Lesesaal“ gibt sich aber Mühe: Man
kann sich tief in digitale Dossiers versenken …
Ich bin mir sicher, dass dort technisch alles auf dem neuesten Stand ist.
Aber es hat ja nicht mal angemessen Platz für Gruppen. Die Ausstellungsecke
ist versteckt in einer privaten Buchhandlung, das Café darin ist etwa
gleich groß. Ich halte das für respektlos.
Ist das nicht eine Chance, Menschen anzusprechen, die vorbeibummeln?
Aber warum bietet man dann die kleinstmögliche Lösung? Erinnerung an diese
Zeit und diese Verbrechen muss Irritationen hervorrufen. Die kann man nicht
konsumieren, wie eine Gemäldegalerie. Wenn wir Erinnerungskultur
privatisieren – wie können wir garantieren, dass ständig seriöse
inhaltliche Betreuung für die Gäste da ist? Bei jedem anderen Thema würde
man sich sträuben, das mit so einer kleinen Fläche abzuspeisen.
Was schlagen Sie vor?
Der Raum nebenan, die ehemalige „Wagenhalle“, steht seit langem leer. Die
ließe sich mieten. Dann könnte man auf 700 Quadratmetern intensiv
aufarbeiten, wie damals mitten in der Stadt Polizisten, Sekretärinnen und
Beamte für den Nazi-Terror-Apparat gearbeitet haben; wie Menschen
malträtiert wurden. Als man damals den Vertrag mit dem Investor gemacht
hat, war diese Flächengröße für den Gedenkort eigentlich auch vereinbart.
Woran scheiterte es?
Am Geld kann’s nicht liegen. Die Stadt will ja 15 Millionen Euro ausgeben,
um an anderer Stelle das Bismarck-Monument zu sanieren. Wir glauben, es
fehlt am Willen: Dort, in zentraler Lage, im Luxusquartier, stört Gedenken
einfach.
Dafür soll in Fuhlsbüttel großflächig an den Widerstand gegen den NS
erinnert werden.
Wir dürfen das Geschehen nicht nur am Stadtrand dokumentieren. Alles
ereignete sich mitten in der Stadt: die Verhaftungen, die Folter – und das
Bürgertum kaufte nebenan ein.
Protestaktion der Initiative Gedenkort Stadthaus: 16 Uhr, Stadthausbrücke 6
30 Jan 2020
## AUTOREN
Thilo Adam
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