Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Den Miniatur-Spiegel vorgehalten
> Engagement und PR: Im Sommer sorgte das Miniatur Wunderland mit
> Schockmotiven zum Thema Massentierhaltung für Aufruhr. Nun soll die
> Ausstellung „Sauwohl“ für Differenzierung statt Disput sorgen
Von Thilo Adam
Nackte Menschen in Viehtransportern, Frauen an Melkmaschinen, Mütter, die
Kinder direkt auf ein Förderband gebären: Mit diesen Schockmotiven im
Figürchen-Format beschwor das Miniatur Wunderland im Sommer
(Online-)Aufruhr herauf. Die provokanten Plakate zur „Massenmenschhaltung“
habe der fiktive „Tierschutzverband Knuffingen“ aufgestellt, hieß es damals
defensiv auf Facebook. Der Bauernverband reagierte pikiert, man fühlte sich
an den Pranger gestellt.
Nun haben die Wunderland-Macher gemeinsam mit dem Bauernverband
Schleswig-Holstein und dem Tierschutzverein „Provieh“ die Ausstellung
„Sauwohl“ konzipiert. Aufklärung statt Aufrütteln, Differenzierung statt
Disput. Fünf Dioramen nähern sich mit den Mitteln des Modellbaus der
derzeitigen Realität der Schweinemast in Deutschland, von der industriellen
Massenproduktion bis zum Biohof.
Im Schaukasten, der den gesetzlichen Mindeststandard zeigt, steht Mini-Sau
an Mini-Sau. Von hinten kommt der Mini-Farmer mit einem Besamungskatheter.
6,58 Euro etwa kostet ein Kilo Schnitzel aus einem solchen Stall im echten
Leben. Wer Schweineschnitzel aus Bio-Mast nach höchsten Tierwohlstandards
will, zahlt 21,99 Euro. Im Demeter-Diorama sitzen Mini-Familien auf der
Hofterrasse, Gesichter haben sie nicht, ist ja Maßstab 1:87. Glücklich
sieht das trotzdem aus – und vielleicht sind es auch die Schweine im
Freigehege.
„Wir müssen dem Verbraucher deutlich machen, wie das Fleisch hergestellt
wird“, sagt Frederik Braun, er ist, wie sein Zwillingsbruder Gerrit,
Gründer des Wunderlandes. Er habe sich selbst dabei ertappt, wie er zwei,-
dreimal am Tag Fleisch esse.
Die Vertreterinnen vom Verein „Provieh“ freuen sich, „dass uns die
Miniaturwelt den Spiegel vorhält“ und Sönke Hauschild vom Bauernverband
Schleswig-Holstein sagt: „Gut, dass hier klar wird: Tierwohl und
Tierhalterwohl gehören zusammen.“ Alle glücklich?
Fragt man Gerrit Braun, was denn der „Tierschutzverband Knuffingen“ zur
Ausstellung und der Kooperation mit dem Bauernverband sagen würde,
antwortet er: „Die wären wahrscheinlich froh, wenn wir auch ein Diorama
über einen reinen Gemüsebauern gebaut hätten.“ Alle Menschen komplett
fleischlos zu ernähren, sei aber zu langfristig gedacht.
Im Figürchenparadies mischt sich echtes politisches Engagement mit smarter
PR. Die Brüder machen Probleme klein, um sie groß zu machen. Nach Trumps
Wahlsieg zogen sie eine Mauer um ihr Mini-Amerika, an einem
Flughafen-Terminal wartet eine Mini-Familie auf Abschiebung, und auf einer
Eisscholle steht eine Mini-Greta neben einem SUV.
1,4 Millionen Gäste hat das Wunderland jährlich, vielleicht kommt die
Botschaft also an. Bei der Ausstellungseröffnung ruft ein Bauer aus dem
Publikum: „Die Haltung, die sich als erstes ändern muss, ist die Haltung
der Verbraucher.“
22 Jan 2020
## AUTOREN
Thilo Adam
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.