# taz.de -- debatte: Die Pfütze hinter der Wand | |
> Donald Trump ist zwar ein Machtmensch, die Kriegstreiber im Weißen Haus | |
> sind jedoch andere. Und: Sie haben enge Bindungen zur Wirtschaft | |
Kürzlich hielt US-Vizepräsident Mike Pence eine Ansprache vor den | |
Mitgliedern des Think-Tanks „Foundation for the Defense of Democracies“. | |
Auf den ersten Blick ein banales Ereignis. Tatsächlich steht es für ein | |
Problem, das die amerikanische Demokratie in den vergangenen 20 Jahren | |
entwickelt hat: Die Macht sammelt sich immer weiter weg von der | |
Öffentlichkeit. Das zeigt insbesondere die Rolle des Vizepräsidenten in | |
außenpolitischen Krisen. | |
Lange bekleideten dieses Amt eher unwichtige Figuren – bis zur | |
Jahrtausendwende. Dass Dick Cheney eine herausragende Rolle im Irakkrieg | |
2003 gespielt hat, weiß jeder. Heute ist Mike Pence für seine | |
Kompromisslosigkeit gegenüber Iran bekannt. Im Vorfeld des Anschlags gegen | |
den iranischen General Kasim Soleimani fanden im Pence-Büro Krisentreffen | |
wie zu Zeiten Cheneys statt. | |
Es war Hillary Clinton, die über das Weiße Haus mal bemerkte, dass dort | |
sehr viel Macht vorhanden sei, selbst wenn der jeweilige Präsident nicht | |
immer etwas damit anzufangen wisse. Dann sammelt sich diese ungeheure Macht | |
irgendwo im Apparat an, wie Wasser hinter den Wänden. Dann entsteht so | |
etwas wie eine Pfütze oder Teich, ein Machtreservoir. Clinton redete | |
natürlich von Cheney unter dem politisch unbedarften Bush junior. Aber ihre | |
Metapher gilt genauso heute. | |
Donald Trump ist zwar versierter Machtmensch, kam aber politisch völlig | |
unerfahren ins Amt. Dass er Kabinettsmitglieder immerzu nach Gutdünken | |
feuert, verstärkt das Problem der Machtverteilung noch. Selbst | |
Außenminister Mike Pompeo, der schon seit Juni zu Vergeltungsschlägen gegen | |
Iran anstiftet, muss damit rechnen, dass Trump ihn im Falle einer | |
gescheiterten Iranpolitik rauswerfen könnte. Ganz anders bei Pence, der | |
Einzige, der nicht vom Präsidenten entlassen werden kann. | |
Wieso ist es von Bedeutung, dass Pence nun vor genau dieser Stiftung | |
sprach? „Foundations for the Defence of Democracies“ hat lange für einen | |
Konfrontationskurs gegen Iran geworben – und wird von Casino-Milliardär | |
Sheldon Adelson finanziert, der zusammen mit dem Ölmilliardär Charles Koch | |
Mike Pence’ erste Gouverneurswahl 2012 in Indiana mit Millionen sponserte. | |
Pence war am Anfang seiner Karriere lediglich ein streng christlicher | |
Anwalt aus der Provinz. Er wurde zwar Kongressabgeordneter, brachte aber | |
jahrelang kein einziges Gesetz auf den Weg. Doch dann verhalf er einer | |
Initiative der Koch-Brüder zu beträchtlichem Erfolg: einer Attacke gegen | |
die Idee einer CO2-Steuer. Die Initiative war selbst unter Republikanern | |
unbeliebt, doch Mike Pence scharte fast 150 weitere Politiker um das | |
Vorhaben. Er wurde als begabter Mehrheitsbeschaffer erkannt und danach | |
kräftig gefördert. Donald Trump dagegen war den Kochs wegen seiner | |
Unabhängigkeit, seines Protektionismus und seines Isolationismus reichlich | |
suspekt. | |
Trump mochte seinerseits die Koch-Brüder nicht. Als Vize wollte er den | |
Gouverneur von New Jersey, Chris Christie. Jemanden, der die Hebel der | |
Politik nur zu gut kannte. Denn Trump wusste um seine Schwäche: seine | |
Unerfahrenheit. Doch eines Tages während des Wahlkampfs im Jahr 2016, als | |
Trump zurück nach Manhattan wollte, kam er ausgerechnet in Indiana nicht | |
vom Fleck, weil sein Flugzeug einen technischen Defekt aufwies. Aber | |
Gouverneur Mike Pence wartete mit Essen und Logis – und die zwei Männer | |
verstanden sich prächtig. Kurze Zeit später war Pence Vizekandidat. | |
So begann der Durchmarsch des Koch-Flügels der Republikaner. Nicht weniger | |
als 17 Top-Mitglieder der Trump-Regierung sind Günstlinge der | |
Ölmilliardäre, von Pence über Pompeo bis hin zu Scott Pruitt, dem Ex-Chef | |
der Umweltbehörde EPA, um nur die Wichtigsten zu nennen. Darüber hinaus | |
sind laut Einschätzung des Magazins The New Yorker rund 100 andere | |
Koch-Verbündete in Positionen im Weißen Haus installiert. | |
All das ist in den ersten Wochen von Trumps Amtszeit passiert, wohl ohne | |
dass er selbst im Siegesrausch dies überhaupt registrierte. Aber an seiner | |
Politik bemerkt man es jetzt umso deutlicher: vom | |
Gesundheitsreform-Agnostiker wurde er zum harten Gegner; vom | |
Kriegsskeptiker wurde er zunächst zum Feldherrn wider Willen, dann, vom | |
Kriegsflüsterer Mike Pompeo angestachelt, zum außenpolitischen | |
Brandbeschleuniger. | |
Die Koch’schen Geldopiate nehmen die Schmerzen aus dem harten Alltag. Nicht | |
nur für Ehrgeizige wie Pence und Pompeo. Geht eine Wahl verloren, geht eine | |
Firma pleite, dann winkt stets eine hochdotierte Stelle. Pence’ Stabschef | |
Marc Short etwa war früher Präsident des inzwischen abgewickelten | |
Think-Tanks „Freedom Partners Chamber of Commerce“, der ebenfalls zum | |
Koch-Imperium gehörte. Und wer weiß, weshalb Trump damals von Christie zu | |
Pence umschwenkte. Auch wenn der technische Defekt am Flugzeug echt war, | |
hat Trump sich an jenem Abend in Indiana womöglich entschieden, seine | |
Milliarden zu schonen und sich mithilfe der Koch-Brüder ein wenig | |
abzusichern. | |
Nach dem Anschlag gegen Soleimani teilten die Saudis mit, dass sie | |
unbedingt dabei sein würden, falls es einen Kriegsplan gäbe. Falls es aber | |
keinen Plan gebe, sei Deeskalation die einzige Wahl. Pence und Pompeo, die | |
Politprofis im Weißen Haus, kennen die Hebel der Macht, und sie wissen, wie | |
sie mit ihrem Chef umgehen müssen. Aber haben sie einen Plan? | |
Charles Koch jedenfalls braucht keinen. Koch Industries brauchte eine | |
Entrümpelermannschaft gegen die zaghaften Versuche Barack Obamas in Sachen | |
Klimapolitik, gegen dessen erste unzulänglichen Schritte Richtung | |
flächendeckender Gesundheitsfürsorge und gegen das Atomabkommen mit Iran. | |
Falls einige Koch-Adepten wie Pence oder Pompeo sich außenpolitisch | |
tatsächlich ernsthaft vergaloppieren sollten, dann gibt es im Weißen Haus | |
möglicherweise nur eine Stimme der Vernunft, und zwar Donald Trump. Was für | |
eine Ironie. | |
14 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Anjana Shrivastava | |
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