# taz.de -- berliner szenen: Arbeit für Surrealisten | |
Wir sitzen in einem Café auf der Bergmannstraße, in der ich Anfang der | |
nuller Jahre fast täglich war. Ich erinnere mich an die Wohnung von F., die | |
gleich um die Ecke war, und an unsere Treffen in tiefster Nacht. Ich | |
erinnere mich an die Besuche von A., der damals in Köln lebte, nun in | |
Berlin wohnt und mir gegenübersitzt. „Grüne Punkte, so ein Blödsinn!“, | |
sagt er. | |
Wir sehen auf die verschieden großen, in unterschiedlichsten Abständen auf | |
die Straße gemalten neongelben Punkte. Eine Weile standen | |
Sitzgelegenheiten an den Straßenrändern herum, die aussahen, als wären sie | |
für schlechte Menschen, die bald Rückenschmerzen haben werden, von einem | |
schlechtgelaunten Designer entworfen worden. All das sollte der | |
Verkehrsberuhigung dienen. | |
Natürlich hätte man auch Polizisten, die gerade keine Neonazis jagen, | |
darauf abstellen können, Autofahrer, die schneller als 20 km/h fahren, aus | |
ihren Vehikeln zu ziehen und zu fixieren. „Ist doch gar nicht so | |
schlecht!“, sage ich. A. winkt ab: „Die sollen einfach die Straße für den | |
Autoverkehr schließen und keine Punkte malen!“ Seitlich der Straße, auf den | |
Flächen, auf denen bis vor Kurzem die Sitzgelegenheiten standen, liegen | |
riesige Steine. Wir reden eine Weile über die Morde in Halle und dann über | |
die Verleihung des Nobelpreises an Peter Handke. Ich gehe rein, an den | |
Tresen, und bestelle zwei weitere Getränke. | |
Als ich zurückkomme und mich wieder zu A. setze, sieht die Bergmannstraße | |
für einen Moment so aus, als wäre sie mir fremd, als wären wir in einer | |
anderen Stadt, irgendwo weiter im Süden. Wir reden wieder über Handke und | |
Halle. Dann gehen unsere Blicke wieder auf die Straße. „Diese Punkte, so | |
ein Quatsch! Ich sehe ja ein, dass Surrealisten auch Arbeit brauchen, aber, | |
guck dir das an“, sagt A., „Das sieht einfach scheiße aus.“ Björn Kuhli… | |
21 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Björn Kuhligk | |
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