# taz.de -- Getragen von vielen | |
> Solidarität ist das Fundament, auf dem der Erfolg der taz aufgebaut ist. | |
> Kalle hat seine Tragfähigkeit wohl am deutlichsten erkannt | |
Bild: Illustration: ©TOM | |
Von Konny Gellenbeck | |
Die taz wurde nicht von Journalist*innen gegründet, sondern, befeuert vom | |
Schwung des Tunix-Kongresses, von der westdeutschen Linken, die sich als | |
politische Bewegung verstand. Karl-Heinz Ruch war einer von ihr. | |
Dass er kein Blattmacher sein wollte, sondern sich als Einziger für den | |
Wirtschaftsbetrieb der neuen Zeitung interessierte, wurde schon oft in | |
Berichten über die Gründungsjahre beschrieben. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt | |
schwang mehr Respekt mit vor Kalles Entscheidung, sich um die Zahlen zu | |
kümmern, ohne die die taz sicher schon in der Gründungsphase zu einer | |
Fußnote der Tunix-Geschichte geworden wäre. Insofern war und ist Kalle eben | |
doch der Blattmacher der taz. | |
Als Teil der „Bewegung“ erfuhr die taz von Beginn an breite Solidarität: | |
Ohne die 7.000 Menschen, die eine Zeitung abonnierten, die es noch gar | |
nicht gab, hätte die taz nie gegründet werden können. Aber die Erwartungen | |
an die Bereitschaft der taz-Redakteur*innen, solidarisch mit den | |
politischen Anliegen derer zu sein, die die taz als „ihre“ Zeitung | |
verstanden, waren hoch. | |
Das konnte nicht lange gut gehen. Die zunehmende Distanz der Redaktion vom | |
einst selbst propagierten beteiligten Bewegungsjournalismus war ein | |
notwendiger Schritt der Professionalisierung – denn auch von den „eigenen | |
Leuten“ muss Journalismus unabhängig sein, will er seine Funktion als | |
Demokratiewächter ernst nehmen. Umso mehr waren die wiederkehrenden | |
Rettungskampagnen für die Redaktion schwer erträgliche Zerreißproben. | |
Mit der taz Genossenschaft ist ganz im Sinne der Dialektik der Konflikt in | |
einer neuen Struktur aufgehoben: Gerade um den taz-Journalismus unabhängig | |
von allen Einflüssen zu machen, gehört die taz ihren Leser*innen. | |
Inzwischen sichern 19.400 Menschen als Genoss*innen die Existenz und die | |
Unabhängigkeit der taz. Im Grunde auch schon eine kleine Bewegung. | |
Rio Reiser, dem nun in Kreuzberg ein Platz gewidmet wird, hat gesungen: | |
„Allein machen sie dich ein.“ Kalle hat das in der taz vor 1992 immer | |
wieder erfahren, wenn die Mehrheit der Mitarbeitenden eine Idee hatte, die | |
fern aller Finanzierbarkeit lag. Umso fester hat er über die vierzig Jahre | |
seiner taz-Geschichte hinweg immer an die Kraft der vielen geglaubt. | |
Sie haben geholfen, die taz am Leben zu halten, auch wenn ihre Zeitung | |
morgens noch nicht im Briefkasten lag. Sie haben neue Projekte angeschoben | |
wie die Le Monde diplomatique oder zuletzt taz Gazete und zwei Häuser | |
mitfinanziert. Vor allem aber haben sie mit dem Politischen Preis für das | |
taz Abo die Idee salonfähig gemacht, dass nicht jede*r gleich viel für | |
seine Zeitung bezahlen muss, weil sich nicht alle die taz gleich gut | |
leisten können. | |
Dieser Gedanke lebt nun in der Paywahl „taz zahl ich“ weiter: Dass jemand | |
freiwillig für etwas zahlt, was er oder sie auch umsonst haben könnte, | |
schien gerade in der Internetwelt lange undenkbar. Heute beneiden uns viele | |
um dieses Instrument, das die Zukunft der digitalen taz sein wird. | |
Solidarität ist das Fundament, auf dem das Erfolgsmodell taz aufgebaut ist. | |
Und Kalle hat dessen Tragfähigkeit von uns allen vielleicht am | |
deutlichstengesehen. Die taz Panter Stiftung und der Marathon-Fonds für | |
tazler*innen im Ruhestand sind logische Konsequenzen dieses Denkens. Dass | |
es Kalle gelungen ist, für die Realisierung eines Ideals stets andere | |
passende Unternehmensformen zu finden, zeichnet ihn als Strategen aus. Dass | |
er in das Kuratorium der taz Panter Stiftung all jene eingeladen hat, die | |
mit ihm die taz groß gemacht haben, zeigt, dass er wirklich an die Kraft | |
der vielen glaubt. | |
Die taz wird ohne Kalle weiter ihren Weg gehen. Aber sie wird lange sein | |
Projekt bleiben – ein professionelles, solidarisches, der Zukunft | |
zugewandtes Projekt. Danke, Kalle. | |
Konny Gellenbeck ist seit 1986 bei der taz und hat seit 1996 das Geno-Team | |
der taz aufgebaut, das sie bis heute leitet. Zusammen mit Kalle Ruch steht | |
sie der taz Panter Stiftung vor. | |
14 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Kornelia Gellenbeck | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |