Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Prekärer Erdrutschsieg
> Kommunalwahlen gewonnen – doch viele bleiben verschleppt. Ein Brief aus
> Hongkong
Bild: Ein Ei, das um die Verschwundenen und Verhafteten Hongkongs weint
Der Comic eines Illustrators namens Ah To zeigt vielleicht am besten, wie
wir uns nach dem erdrutschartigen Sieg des pandemokratischen Lagers bei der
Wahl zum Distriktrat fühlen.
Er zeigt ein rohes Ei namens Hongkong, das unter Tränen die Wahlen gewinnt,
sein Rucksack trägt die Zahlen: 612, 721, 811, 831, 101. Sie beziehen sich
auf die herben Verluste von Demonstrant*innen und Bürger*innen. Bis heute
wurde kein einziger Polizist verhaftet.
Der Illustrator hat bewusst das Bild eines Eis mit Bezug auf die berühmte
Rede von Haruki Murakami über ein Ei und eine hohe Wand verwendet.
Die chinesische Regierung beabsichtigt seit Langem, Wahlen zu
kontrollieren, indem sie Fake-Wähler hervorbringt; das prochinesische Lager
übergibt die Geschenke an die Wähler*innen (hauptsächlich ältere Menschen).
Die hohe Wand stößt auf ein beispielloses Versagen. Während wir unseren
Sieg genießen, sind wir zugleich besorgt, traurig und dürfen dennoch nicht
hoffnungslos sein.
Zweifellos kann der Distriktrat der oppositionellen Bewegung in vielerlei
Hinsicht helfen, um mehr Ressourcen und eine größere Unterstützung zu
gewinnen. Dennoch kann er die spürbare und allgegenwärtige Gefahr kaum
schnell lösen.
Die Polizei von Hongkong belagert die Polytechnische Universität nun seit
über zehn Tagen. Und in der Universität neigen einige Demonstrant*innen zu
einer selbstmörderischen Haltung und verlieren die Fähigkeit zu sprechen.
Sie wirken angeschlagen.
Eine der längsten Nächte war bislang der 17. November. Über 200.000
Bürger*innen versuchten an der Universität zu protestieren, um die
Student*innen zu befreien. Ein Polizeiwagen fuhr in die Menge und
verursachte eine Massenpanik.
Ein Video zeigt später, wie einige Demonstrant*innen abgeführt und zu einen
Zug in der Nähe der Universität gebracht werden. Bis heute wissen weder
Medien noch Anwälte, wo sie sind.
Es wird spekuliert, sie seien heimlich auf das chinesische Festland
transportiert worden. Simon Cheng, ein Bürger Hongkongs, der für den
britischen Botschafter arbeitet, war 15 Tage lang in Haft. Er hat enthüllt,
wie er im August Hongkonger Demonstrant*innen eingesperrt auf dem
chinesischen Festland gesehen hat.
Ich denke in diesen Tagen an den Schriftsteller und Holocaustüberlebende
Primo Levi. Er sagte, als die Nazis ihn im Zug ins Konzentrationslager
transportierten, dass die Verschleppten in den Zugwaggons auch Hinweise
fanden, wie man besser überleben konnte. Von Zügen ins Konzentrationslager
hatte er zuvor nichts gehört. Und die Leute aus den Zügen waren ja in den
Lagern verschwunden.
Ich fürchte, den Menschen im Zug von Hongkong nach Festlandchina könnte es
ähnlich ergehen. Wir leben so als prekäre Existenzen in einer sogenannten
Metropole. Pat To Yan
30 Nov 2019
## AUTOREN
Pat To Yan
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.