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# taz.de -- Die Mysterien der Pathologie
> Das Wilmersdorfer Projekt „Wortrandale“ setzt dem herkömmlichen
> Literaturbetrieb etwas entgegen
Von Annika Glunz
Am Anfang war die Feststellung: Der klassische Literaturbetrieb stagniert,
dreht sich im Kreis und frustriert. Dem muss dringend etwas entgegengesetzt
werden, da waren sich Klaus Berndl und Michael Krause einig. Zusammen mit
Gitta Mikati riefen sie 2018 das Projekt „Wortrandale“ ins Leben mit dem
Ziel, literarisch eingetretene Pfade zu verlassen und das Sichtfeld zu
erweitern. In den Sparten „Krimi“, „Liebe“ und „Queer“ konnten Auto…
bis zum diesjährigen Sommer Texte zum vorgegebenen Thema „Wenn im Norden
das Licht schmilzt“ einsenden. Eine neunköpfige Jury wertete die Texte aus,
am Samstag wurden im Charlottenburger Rathaus die Preise in den Kategorien
„raffiniert“, „fantasievoll“, „skurril“, „humorvoll“, „charma…
„nachdenklich“, „emotional“, „spannend“ und „Wortakrobatik“ ver…
„Texte sind nie vergleichbar, der beste Text ist es nie in jeder Hinsicht.
Deshalb gibt es bei uns keine Platzierungen, sondern Kategorien“, erklärte
Juryleiter Klaus Berndl. Texte, die sich keiner Kategorie eindeutig
zuordnen ließen, wurden nicht ausgeschlossen, sondern bekamen ihre eigene
Preisverleihung. Entstanden ist eine 3-Sparten-Anthologie, bestehend aus 30
Texten von 26 Autor*innen, die im Konkursbuch-Verlag erschienen ist.
Der Abend begann mit einer musikalischen Einlage der „Suzy Soulsisters“ und
einem Grußwort der Charlottenburger Kulturstadträtin und Schirmherrin der
„Wortrandale“, Heike Schmitt-Schmelz. Für ihre Feststellung „Auch die Ci…
West kann hip sein“ gab es Gelächter. Unter der Moderation von Michael
Krause ging es weiter mit dem Publikumspreis: In der Sparte „Krimi“ las
Axel Lawaczeck aus seinem Text „Angelegenheiten bedacht gewählter Worte“,
der von Mysterien in der Pathologie handelt. Harlekin stellte in der Sparte
„Queer“ das Kapitel „Luft“ aus seinen „Aggregatszuständen“ vor: Der
Protagonist erzählt vom Coming-out seines Vaters, der im Alter von 67
Jahren seiner Familie eröffnet, transsexuell zu sein. Der Protagonist merkt
an, sein Vater sei angesichts dessen, dass er seine Transsexualität
jahrzehntelang nicht auslebte vielleicht ignorant, aber niemals verbittert
gewesen: „Er hatte es nicht nötig, anderen böswillig entgegenzutreten, nur
weil er nicht fähig war, sein Glück in die eigenen Hände zu nehmen.“ Ingrid
Maria Kloser las in der Sparte „Liebe“ aus ihrem Text „Risse“, in dem s…
Risse in zwischenmenschlichen Beziehungen mit solchen in Keramiken in
Verbindung setzt. Das Publikum entschied sich für den Krimi.
Nach einer ausgiebigen Pause folgte die eigentliche Preisverleihung in den
neun Kategorien. Die Preisträger*innen bekamen jeweils eine einstündige
Radiosendung auf 88.9 Deutschlandradio Kultur.
„Der Zeitball“ handelt von einem Jungen, der traurig ist, weil seine Eltern
nie Zeit für ihn haben. Er versucht, die Zeit zu verstehen, und stellt sie
sich als unsichtbaren Ball vor. Nach einer Begegnung mit einer weisen
Person erkennt er: Zeit und auch Liebe muss der Mensch so lassen, wie sie
sind (nämlich einfach da), um genug davon zu haben. Läuft er ihnen
hinterher und will er sie besitzen, verliert er sie. Der Mensch läuft im
Grunde also vor ihnen weg. Ingo Stephan erhielt für seine anrührende
Geschichte den Preis in der Kategorie „fantasievoll“.
Einige der Kategorien schienen schwer greifbar zu sein, da sie doch sehr
subjektiv in ihrer Auslegung sind. Viele der Texte hätten auch parallel in
unterschiedlichen Kategorien antreten können. Von diesen Schwierigkeiten
berichteten auch die jeweiligen Juror*innen. Dennoch: Am Ende schienen
alle Beteiligten zufrieden, unter den „Randaleur*innen“ herrschte den
ganzen Abend über gute Stimmung. Mit den Worten „Und jetzt wird ordentlich
gefeiert“ verabschiedete Krause das Publikum. Das Thema der „Wortrandale“
2020 ist übrigens „Die Tage der Entscheidung“. Bis zum nächsten Sommer
haben Autor*innen Zeit, ihre Texte einzusenden.
2 Dec 2019
## AUTOREN
Annika Glunz
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