Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- nordđŸŸthema: Mann macht Volkshochschule
> Die Volkshochschule Hamburg beklagt zu wenige MĂ€nner in ihren Kursen. Mit
> einer Kampagne, die spezielle MĂ€nnervorlieben in den Fokus rĂŒckt, soll
> sich das Àndern. Ein Einblick in die Volkshochschulwelt der MÀnner, die
> nun kochen und kommunizieren lernen
Bild: MĂ€nner miteinander können wirklich sehr, sehr lustig sein – wenn man …
Von Niels Holsten
Die Frauen dominieren. Nur 21 Prozent der TeilnehmerInnen an Hamburger
Volkshochschulkursen sind MÀnner. Das sieht in anderen BundeslÀndern nicht
anders aus und war – auch in Hamburg – eigentlich schon immer so. „Wir
wollen die MĂ€nner mehr fĂŒr unsere Angebote begeistern“, sagt deshalb
Volkshochschul-Sprecherin Dorothea Olbertz. Und hat eine Kampagne
gestartet. Vor circa zwei Wochen wurde auf der Website der Hamburger
Volkshochschule ein großer Button mit der Aufschrift „Kurse fĂŒr MĂ€nner“
installiert.
Klickt Mann dort drauf, findet er eine Reihe von Kursen, von denen die
Volkshochschule glaubt, sie wĂŒrden besonders MĂ€nner interessieren. Neben
handwerklichen Workshops wie „Holzbildhauerei“ oder „Bronzeguss“, Whisk…
oder Craft-Beer-Kursen, finden sich Kurse wie „Datenschutz und
Datensicherheit“, „Pool-Billard Grundkurs“, oder „Das Elektroauto kommt…
seien Sie bereit dafĂŒr“; aber auch einen „Flirt-Kurs: Kontakt-Training fĂŒr
den Alltag“. Insgesamt werden 36 Kurse angezeigt.
„Es ist manchmal so klischeehaft“, sagt Olbertz. Die Volkshochschule habe
„nicht die Absicht, Rollenbilder zu manifestieren“, aber: „Aus unserer
Statistik wissen wir, was MĂ€nner gerne buchen.“ Das möge provozieren, „ab…
mit ein wenig Augenzwinkern sei uns das erlaubt.“ GrundsĂ€tzlich seien
natĂŒrlich fast alle Kurse fĂŒr MĂ€nner und Frauen gleichermaßen offen: „Wir
brauchen kein getrenntes Lernen“, sagt die 49-jĂ€hrige Politologin.
Ein paar reine MĂ€nnerangebote finden sich im Programm dennoch. „MĂ€nner sind
anders, Frauen auch“, bewirbt Joachim Grzescik seinen Kurs „Von MĂ€nnern fïżœ…
MĂ€nner – ein Kommunikationstraining“. Und verspricht den Teilnehmern, sie
könnten dort reden „wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Frauen legen
Worte mehr auf die Goldwaage“, sagt Grzescik. Sind MĂ€nner unter sich, werde
ein „salopperer“ Umgangston gepflegt.
MĂ€nner seien oft weniger diplomatisch, könnten nicht ĂŒber ihre GefĂŒhle
reden und agierten mitunter nicht emphatisch. Mit seinem Training will der
56-jÀhrige Coach das Àndern. MÀnnerspezifische Kommunikation soll
beleuchtet und Geschlechterstereotypen sollen unter die Lupe genommen
werden. „Wichtig ist es, dem GegenĂŒber die persönliche Anerkennung zu
vermitteln, die persönliche Ansprache und eine wertschĂ€tzende Sprache“,
sagt Grzescik. „Zauberpunkte“ nennt er das. „Damit tun sich MĂ€nner schwe…
In seinen Kurs kÀmen der 20-jÀhrige Student, aber auch der 70-jÀhrige
Rentner. Die meisten seien in ihrer Selbstreflexion recht weit und wollten
im beruflichen Kontext weiterkommen. „Was gelingt mir besser, wenn ich
klarer kommuniziere?“, benennt der Kursleiter eine zentrale Fragestellung.
Er findet viele Teilnehmer erstaunlich offen. Sie wĂŒrden durchaus mal
abfragen, wie sie auf andere wirken. „Da wird dann schon mal ein Feedback
eingefĂŒgt“, berichtet Grzescik.
Das braucht Gundula Grimm nicht mehr. Die MĂ€nner in ihrem Kurs kennen sich
oft schon seit Jahren. Einmal im Monat trifft sich ihr „Kochclub fĂŒr
MĂ€nner“, um neue Rezepte auszuprobieren – seit 2001. Und hier werden auch
Klischees durchbrochen: „Wir sind der einzige Kochkurs, der die KĂŒche in
einem super Zustand hinterlĂ€sst“, sagt die 57-JĂ€hrige, die hauptberuflich
eine Wohngemeinschaft fĂŒr Menschen mit Demenz leitet. Da finde sie
Frauengruppen oft schwieriger. „MĂ€nner regeln das unter sich und passen
schon auf, dass jeder seinen Beitrag leistet.“
Grimm ist als Ă€ltestes Geschwister mit fĂŒnf BrĂŒdern aufgewachsen. „Ich
glaube, ich habe mir unbewusst diese Situation wieder gesucht.“ Sie möge
den ehrlicheren Umgang der MĂ€nner untereinander. „Die sagen ganz direkt,
wenn ihnen etwas gegen den Strich geht“, zum Beispiel, wenn einer seinen
Arbeitsplatz dreckig hinterlasse.
MĂ€nner wĂŒrden aber mehr als Frauen in die Konkurrenz gehen, sich mehr
miteinander messen: „Es ist wichtig, vor den anderen zu glĂ€nzen“, sagt
Grimm. Es werde immer in anderen Konstellationen gearbeitet, so dass jeder
mal Vorspeise, Hauptgericht und Nachspeise zubereite. Aber die meisten
wĂŒrden am liebsten immer das Hauptgericht kochen. „GemĂŒse schneiden wird
als undankbarste Aufgabe angesehen.“
Das sieht auch Reiner Kiehn so: „FĂŒrs GemĂŒse schnippeln oder Kartoffel
schĂ€len habe ich nicht so die Ambitionen.“ Kiehn kocht am liebsten Fleisch-
und Fischgerichte und ist seit Anfang an dabei: „Es war nicht geplant, dass
ich so lange bleibe.“ Er hĂ€tte eigentlich nur besser kochen lernen wollen.
Dass es ein reiner MÀnnerclub geworden sei, hÀtte einen einfachen Grund
gehabt: „Frauen haben im Kochen einfach mehr Vorerfahrung und ziehen die
Dinge dann an sich“, sagt der 62-jĂ€hrige Elektromeister.
„Wir MĂ€nner waren alle AnfĂ€nger, die kaum kochen konnten.“ Es sei
einfacher, wenn alle auf einem Level seien und jeder etwas einbringen
könne. Trotz der MĂ€nnerrunde gehe es „gesittet“ zu: „Bei uns werden kei…
Zoten gerissen“, sagt Kiehn. Es sei sehr familiĂ€r und weil man sich schon
so lange kenne, werde wĂ€hrend des Kochens auch ĂŒber andere Dinge geredet.
Und teilweise auch privat getroffen, berichtet Kursleiterin Grimm, die in
der Vergangenheit auch schon mal eine AltenheimkĂŒche geleitet hat. Sie
finde die Offenheit „ihrer“ MĂ€nner immer wieder erstaunlich. So hĂ€tten sie
auch schon mal die KĂŒche der 1920er-Jahre nachgekocht – mit Verkleiden. Es
habe Graupensuppe, Zunge in Madeira und Grießflammerie gegeben, alles mit
wenig GewĂŒrzen, wie das damals so ĂŒblich gewesen sei. „Witzig, dass da alle
mitgezogen sind“, sagt Grimm. Zu Weihnachten wĂŒrden die MĂ€nner dann richtig
kreativ werden und schmĂŒcken und dekorieren.
Von dieser Offenheit und dem Engagement wĂŒnscht sich Pressesprecherin
Olbertz mehr. Ob ihre Marketingaktion dazu einen Beitrag leisten wird, und
die Jahrzehnte wÀhrende Statistik verÀndert, wird sich zeigen. Olbertz
hofft jedenfalls, „dass am Ende ganz viele MĂ€nner in die Kurse kommen.“
30 Nov 2019
## AUTOREN
Niels Holsten
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.