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# taz.de -- York Schaefer Popmusik und Eigensinn: Zombies sind nicht tot, sie r…
Löchrige Totenschädel, zerfetzte Kleidung, verzerrte Fratzen: Die Folklore
von Punk steckt voller Zeichen und Bilder des Monströsen und Untoten, des
Unkontrollierten und Zerstörten. Auch Referenzen an die Figur des Zombies,
quasi der Archetyp körperlichen Verfalls und ewiger Verdammnis, gibt es im
Narrativ von Punk und artverwandter devianter Musik.
Der in diesem Jahr verstorbene Proto-Punker Roky Erickson schrieb den
mantrahaft gekrächzten Song „I Walked With A Zombie“, Iggy Pop nahm 1982
sein Album „Zombie Birdland“ auf. Dieses Jahr war der unverwüstliche Rocker
gar als Untoter in Jim Jarmushs Film „The Dead Don’t Die“ zu bewundern.
Ebenfalls 1982 schickten die Misfits ihre „Astro Zombies“ übers Land, mit
der Direktive, die menschliche Rasse zu exterminieren. Schon drei Jahre
zuvor ließen die Cramps die Zombies tanzen.
Eine Menge Beispiele aus den 80er-Jahren also, einer Dekade, in der die
Untoten in nahezu epidemischem Ausmaß vor allem über die Kinoleinwände
taumelten. Zehn Jahre später schien die Seuche eingedämmt, der Zombiefilm
ein Auslaufmodell zu sein. Aber wie die Musik hängt auch das Kino an
wiederkehrenden Verwertungszyklen, die viele Trends und Themen der
Filmgeschichte einem nachwachsenden Publikum neu verkaufen müssen.
Ab der Jahrtausendwende, möglicherweise auch in der Folge der Anschläge vom
11. September 2001 und kollektiver emotionaler Zerrüttung im Zuge von
Globalisierung und Digitalisierung, überschwemmt eine anhaltende Welle von
Remakes, Serien und Comicverfilmungen die Kinosäle und Wohnzimmer. Der
Zombie ist der Vermarktung preisgegeben, die Qualität der Produktionen
schwankt. Es gibt mehr oder weniger ernst gemeinte Überlebensratgeber, das
US-Militär hat eine Abwehrstrategie gegen eine Untoten-Apokalypse entworfen
– wenn auch nur, um seine Soldaten mit strategischem Denken im
realistischen Katastrophenfall vertraut zu machen.
Es dürfte dann aber doch eher Zufall sein, dass die japanischen
Trash-Garagenrocker Guitar Wolf ausgerechnet im Jahr 2000 im Film „Wild
Zero“ auf Zombiejagd gingen. Die Untoten, gespielt von kostengünstigeren
thailändischen Soldaten, sind hier tatsächlich eher lustige Staffage und
nicht allzu signifikant aufgeladen. Einer könnte bei der Körperreinigung
gestorben sein: Er schleppt seine Badelatschen in typisch tumber, hungriger
Zombiegeste mit ausgestreckten Armen vor sich her.
Eigentlich geht es in „Wild Zero“ um die Liebe zwischen zwei jungen
Menschen und natürlich um gnadenlos runtergebretterten „Lock ’n’ Loll“…
roten Bereich, der auf dem aktuellen Album „Love & Jett“ dank neuem
Bassisten tatsächlich auch mal in Richtung swingendem Motown-Soul und
dezenter Disco-Anleihen ausschlägt. Sowie die Bands der British Invasion
den Blues bastardisiert und an die amerikanischen Teenager zurückverkauft
haben, so lassen Guitar Wolf ehemals rebellische Sounds wie Surf,
Rockabilly oder Punk wieder gefährlich und kompromisslos klingen.
Wuchtige, reduzierte Spielweise, automatenhaft cooles Auftreten mit
Sonnenbrillen, unverständliches Geschrei und Gefahr im Verzug – auch den
Guitar-Wolf-Charakteren selbst könnte man mit einer Zombie-Analogie zu
Leibe rücken: „Der Zombie … bezieht die Wucht seiner Wirkung vor allem aus
einer Reduktion auf eine rein physische, automatenhafte Existenz … Er ist
der Existenzialist unter den Filmmonstren“, schreibt Frank Neumann im
Kapitel „Leichen im Keller, Untote auf der Straße“ im Buch „Untot“, ei…
lesenswerten Sammelband zur Zombie-Filmtheorie.
Letztlich aber führt Guitar-Wolf-Sänger und Gitarrist Seiji in „Wild Zero“
den jugendlichen Helden Ace mit einer hinreißenden Message zum Thema Liebe
auf den rechten Weg. Mehr sei hier nicht verraten, nachzusehen ist der Film
bei Youtube. Sicherlich eine passende Vorbereitung für das anstehende
Konzert.
Fr, 29. 11., 20 Uhr, Lila Eule
23 Nov 2019
## AUTOREN
York Schaefer
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