# taz.de -- heute in hamburg: „Es sind keine individuellen Dramen“ | |
Interview Sophie Hansen | |
taz: Frau Ziemba, begünstigt unsere Gesellschaft Gewalt gegen Mädchen und | |
Frauen? | |
Anika Ziemba: Ja. Das vordergründige strukturelle Problem ist, dass wir in | |
einem Patriarchat leben. Also in einem System, das Männern mehr Macht | |
zuspricht als Frauen – da gibt es viel Unterdrückung. Zwar gibt es | |
politische Bemühungen, Dinge zu verändern, wie den berühmten | |
„Nein-heißt-Nein“-Paragraphen. Spannend ist aber, dass diese Reformierung | |
des Paragraphen nur durch die sogenannte Kölner Silvesternacht, also unter | |
rassistischen Vorzeichen, stattgefunden hat. | |
Welche Frauen und Mädchen werden Opfer? | |
Es gibt eine repräsentative Studie von 2004, ich schätze, dass die nach wie | |
vor aktuell ist. Da heißt es, dass jede vierte Frau Gewalt in ihrem | |
sozialen Umfeld erfährt und jede dritte Frau ab dem 16. Lebensjahr | |
mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt | |
erfährt. Das sind offizielle Zahlen, die sind aber nur das Hellfeld. Gewalt | |
ist ein sehr tabuisiertes, schambesetztes Thema. Das heißt, ganz viele | |
Leute sprechen da gar nicht drüber. Jede vierte Frau heißt aber auch, dass | |
jeder jemanden in seinem Umfeld hat, dem Gewalt widerfährt und der Gewalt | |
verübt. | |
In welchen Formen zeigt sich diese Gewalt? | |
Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Das populärste ist körperliche | |
Gewalt, die ist auch am leichtesten nachzuweisen. Die Spanne ist aber viel | |
größer: Es gibt psychologische Gewalt, ökonomische Gewalt, soziale Gewalt – | |
also Kontrolle ausüben oder Frauen einsperren. Das sind alles Formen, die | |
uns in Beziehungen häufig begegnen. Ich würde sogar weitergehen und sagen, | |
dass Gewalt gegen Frauen in der gesellschaftlichen Struktur verankert ist. | |
Berichten Medien angemessen über Gewalt gegen Frauen und Mädchen? | |
Gewalt gegen Frauen ist kein Einzelschicksal und keine Familientragödie. Es | |
sind keine individuellen Dramen, es sind strukturelle Gewalttaten. Das muss | |
sich in der medialen Berichterstattung widerspiegeln. Das Bild, dass der | |
öffentliche Raum gefährlich ist, hat mit der Berichterstattung zu tun. | |
Wenige Frauen werden beim Joggen im Park angegriffen, das taucht aber | |
häufiger in den Medien auf. | |
Bündnisdemo „Gewalt an Frauen* ist politisch!“ zum Internationalen Tag | |
gegen Gewalt an Frauen* und Mädchen*, Kundgebung ab 17 Uhr Altonaer Bahnhof | |
25 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Sophie Hansen | |
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