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# taz.de -- Geste der Versöhnung
> Im Prozess gegen den SS-Wachmann Bruno D. umarmen sich der Angeklagte und
> Nebenkläger Peter Loth
Mit einer emotionalen Geste ist der siebte Verhandlungstag des Prozesses
gegen den ehemaligen SS-Wachmann Bruno D. vor dem Hamburger Landgericht zu
Ende gegangen. Der 76-jährige Nebenkläger Moshe Peter Loth und der
93-jährige Angeklagte Bruno D. versicherten sich am Dienstag gegenseitig,
nach den Ereignissen im KZ Stutthof vor mehr als 70 Jahren keinen Hass auf
den anderen zu empfinden. Bruno D. ist der Beihilfe zum Mord in mehr als
5.230 Fällen angeklagt. Da er zur Tatzeit zwischen 17 und 18 Jahren alt
war, findet das Verfahren vor einer Jugendstrafkammer des Landgerichts
statt.
Loth befragte den Angeklagten im Gerichtssaal sachlich über dessen Zeit im
Lager Stutthof. Ob er schon vorher in der SS gewesen sei, was für eine
Waffe er benutzt habe und was er nach seiner Zeit im KZ getan habe. Nach
ein paar Minuten werden die Fragen emotionaler: „Wie fühlen Sie sich heute?
Bedauern Sie etwas?“ Ja natürlich, antwortet D. Er bedaure alles, was
damals passiert sei. Er habe damals keine Möglichkeit gehabt, etwas gegen
das Leid zu tun. Schließlich bittet Loth den Angeklagten, ihm in die Augen
zu sehen und fragt: „Würden Sie mir vergeben? Für den Hass und die Wut, die
ich zeitweise auf die Deutschen hatte?“
„Sicher, ich habe keinen Hass“, antwortet der Angeklagte. Da geht Loth um
den Tisch herum, sagt: „Ich vergebe Ihnen auch“ und umarmt D. Beiden
Männern kommen die Tränen, sie halten sich im Arm. „Jetzt bin ich frei“,
sagt Loth, als er zu seinem Platz zurückgeht. „Dadurch befreie ich mich
selber.“
Loth wurde am Dienstag als Zeuge befragt, wie die Grausamkeiten im KZ
Stutthof sein Leben beeinflusst haben. Er wurde in dem Lager geboren und
als Kleinkind von seiner Mutter getrennt. Als Nebenkläger waren ihm auch
Fragen an den Angeklagten erlaubt. Wie könne ein Mensch ertragen, mit so
viel Leid zu leben – und nicht an der Menschheit verzweifeln, fragte
Richterin Anne Meier-Göring, nachdem Loth sein Leben geschildert hatte:
eine Kindheit in Kriegsgefangenschaft, schier unfassbare Gewalt, Rassismus
und immer die Frage nach der eigenen Identität.
Er habe lange nicht gewusst, ob er Jude und Deutscher sei, so Loth. Als er
erfuhr, dass er im KZ Stutthof geboren wurde, begann er, seine Herkunft zu
recherchieren. Seitdem reist Loth auch häufig aus den USA nach Deutschland,
um Kinder über den Holocaust aufzuklären.
Auf Meier-Görings Frage antwortet er: „Ich war voller Hass, bis ich gelernt
habe, zu vergeben und um Vergebung zu bitten.“ Inzwischen sei er seit 33
Jahren glücklich verheiratet, habe acht Kinder und 15 Enkelkinder. Leiden
würde er aber trotzdem noch. Der Hass sei überall, sagt er. „Es hört nie
auf.“ Auch seine Kinder würden darunter leiden. Gegen D. persönlich habe er
jedoch nichts. „Ich kenne ihn nicht, und ich weiß nicht, was er getan hat.“
(epd)
13 Nov 2019
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