| # taz.de -- Unter uns | |
| Es war in den Neunzigern ganz schön peinlich, sich im Westen als Ossi zu | |
| outen. Getuschel hinter Türen: „Ist das die aus dem Osten, hihi?“ In den | |
| Nullerjahren kam Angela Merkel: Ein bisschen peinlich schon noch, ihre | |
| Haare, ihre alte Geschichte über Kirsch-Whiskey, aber eben doch die | |
| mächtigste Person im Land. In den Zehnerjahren dann: die dritte Generation | |
| Ost, die sogar meinte, es sei cool, aus Ostdeutschland zu kommen. Die | |
| Beziehungen seien gleichberechtigter, die biografischen Umbrüche sogar ein | |
| Bonus im Lebenslauf. | |
| Es gibt einige, denen war es noch nie peinlich, Ossi zu sein. In den | |
| Neunzigern in Ostdeutschland waren die Nazis selbstbewusst und sind es bis | |
| heute. Und das gefällt vielen, das zeigen die letzten Wahlen in | |
| Ostdeutschland. Ist der Osten einfach verloren, rechts bis ins Mark? Selbst | |
| bei vernünftigen Menschen gibt es ja diesen Trotz: Die da drüben sehen uns | |
| Ossis doch eh nur als Nazis. | |
| Es geht häufig um den Blick der anderen, von denen „da drüben“: Um die | |
| Wessis, die uns Ossis die Welt erklären wollen und gar nicht richtig | |
| zuhören. Und um die Ossis, die auch gar nicht so richtig reden wollen. Und | |
| wenn doch, dann verteidigen sie sich nur: Früher war nicht alles schlecht | |
| und heute gibt es auch woanders Nazis. | |
| Ständig dieses Vergleichende – wir sollten einmal darauf verzichten. Das | |
| versuchen wir in diesem Dossier zu 30 Jahren friedliche Revolution. Wir | |
| kommen bewusst ohne westdeutsche Erzählung aus und bleiben unter uns, so | |
| von Ossi zu Ossi. Diese Ausgabe haben vier taz-RedakteurInnen mit | |
| Ost-Biografie konzipiert, fast alle AutorInnen sind Ostdeutsche. | |
| Wir schreiben Geschichten über das Reden und Schweigen. Es gibt vieles, | |
| worüber in Ostdeutschland heute wie damals zu wenig gesprochen wird. | |
| Rassismus in der DDR, die Verletzungen der eigenen Eltern, die | |
| Frauenbewegung, der Rückzug der Bürgerrechtler*innen, Männlichkeit. In | |
| dieser Ausgabe lassen wir neue Menschen sprechen und stellen Altbekannten | |
| neue Fragen. | |
| Katrin Gottschalk, Julia Boek, Daniel Schulz, Paul Wrusch | |
| 2 Nov 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gottschalk | |
| Julia Boek | |
| Daniel Schulz | |
| Paul Wrusch | |
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