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# taz.de -- Elterndasein in Berlin: Diese soziale Kontrolle, furchtbar!
> Es gibt durchaus gute Gründe für ein Baumhausverbot. Und man darf auch
> Gefallen an etwas Anarchie und Chaos haben.
Bild: Ein Fest für jeden Kindergeburtstag: haufenweise Lego-Steine zum Rumschm…
„Und wenn du Lust hast, kannst du um halb sieben noch Pizza mitessen“,
schreit die Mutter von S. an der Wohnungstür über den Kinderlärm in ihrem
Rücken hinweg. Ich nicke, „Ja, danke, klar, schöne Idee!“, und beschließe
in dem Moment, auf keinen Fall pünktlich um halb sieben da zu sein. Der
kleine S. hat Geburtstag, mein Sohn ist eingeladen, und ich kann der Mutter
von S. nur viel Glück wünschen.
Bevor ich mich in dieser Kolumne dem traurigen Kapitel der unaufrichtigen
Kommunikation von Eltern untereinander widme, ein wenig Erheiterndes aus
dem Leben eines Kita-Kinds: S. gehört, wie mein Sohn auch, zu einer etwa
fünfköpfigen Kita-Gang, die unter anderem dafür verantwortlich zeichnet,
einmal sämtliche Abwasseröffnungen im Kita-Waschraum mit Klopapier
ausgestopft zu haben.
Ein anderes Mal haben sie sich in der Mittagspause gegenseitig lückenlos
derart mit Stempelfarbe bedruckt, so dass alle am Nachmittag immer noch
eine leicht bläuliche Gesichtsfarbe hatte (Erzieherin: „Wir haben uns schon
gewundert, warum die Kinder so lange still waren!“).
Das Meisterstück: Mein Sohn hatte gemeinsam mit zwei seiner Kumpels im
Kita-eigenen Baumhaus aufs Klo gehen gespielt (oder so was ähnliches, es
ließ sich nicht mehr genau rekonstruieren).
Das Spiel geriet sehr realistisch, offenbar konnte er sich die Toilette
dermaßen plastisch vorstellen, dass er tatsächlich in die eine Ecke des
Baumhauses pinkelte. Sein Kumpel wollte nicht nachstehen, leider klappte
das mit dem Pinkeln auf Kommando nicht, dafür lag bald ein Häufchen
Kinderkacke neben der Pfütze. Der dritte kotzte daraufhin in die Ecke.
Alle bekamen zwei Wochen lang Baumhausverbot.
Der Kindergeburtstag von S. jedenfalls verspricht heftig zu werden, so viel
ist klar. Ein paar Wochen zuvor hatten wir den Zirkus bei uns zu Hause,
fünfter Geburtstag – das Zimmer des Kleinen sah schwer beschädigt aus, noch
Tage später piekste man sich irgendwelche Lego-Steinchen aus der
explodierten Spielzeugkiste in die Fußsohlen.
## Echt bitchiger Umgangston
Aber eigentlich wollte ich über den missgünstigen, unaufrichtigen, echt
bitchigen Umgangston sprechen, den sich Eltern vor allem untereinander
gern antun.
Wobei wir beim Gemecker über anstrengende Kindergeburtstage gleich mal
anfangen können mit dem Thema Unaufrichtigkeit: Stimmt ja so nicht. Macht
uns ja eigentlich Spaß. Es ist toll, mit einer Horde Kita-Kinder auf
Schatzsuche durch die Nachbarschaft zu ziehen. Es ist toll, wenn die Kinder
die Bude ein bisschen auf dem Kopf stellen.
Ein bisschen Anarchie und Chaos, das gönnt man sich ohnehin viel zu selten
als Erwachsener. Und außerdem ist es toll, wenn der Kleine abends sagt,
dass das der schönste Tag in seinem Leben war (auch wenn er das öfter mal
sagt und auch wenn das jetzt ja furchtbar kitschig klingt).
Aber okay: Warum gehen Eltern so wenig pfleglich miteinander um? Vielleicht
weil man sich selbst immer auch ein Stück weit in der eigenen Peergroup
spiegelt und sich dabei selbst gehörig auf den Sack geht?
## Gut betuchte Baugruppenfamilien
Die Eltern von S. wohnen jedenfalls in einer dieser Neubausiedlungen, wo
vor allem gut betuchte Baugruppenfamilien in sauberen Vier-Zimmer-Wohnungen
mit Balkon ihre zwei Kinder aufziehen (so viel zum Thema Gehässigkeit). Es
gibt dort einen Spielplatz, ein Schild mahnt: Die Benutzung sei nur den
AnwohnerInnen gestattet.
Die wiederum sehen das offenbar durchaus kontrovers, wie ich lerne, als ich
den Kleinen abends vom Geburtstag abhole: „Hier wohnen schon echt ein paar
Spießer“, sagt der Vater von S. Ehrlich frustriert mustert er die
Kohlensäurebläschen, die in seinem Sektglas aufsteigen. „Diese soziale
Kontrolle hier, furchtbar.“
Die Spießer, man weiß es ja und das gilt besonders für Eltern, sind eben
immer – die anderen Eltern.
25 Oct 2019
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Heult doch!
Baugruppen
Kindererziehung
Nach Geburt
Heult doch!
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