# taz.de -- Stippvisite auf Sizilien | |
> Der FC St. Pauli hat ein Fußballcamp für Geflüchtete organisiert. | |
> Dauerhafte Strukturen sind nicht entstanden | |
Von Carlotta Kurth | |
Ein Mann erzählt, ihm sei ein Zahn ausgeschlagen und der Arm gebrochen | |
worden, in dem Gerangel, als die Menschen an Bord kommen wollten. Trotzdem | |
habe er das Schlauchboot übers Mittelmeer gesteuert – mit der Hoffnung auf | |
ein besseres Leben. | |
Es ist eine Szene, die auf den ersten Blick nichts mit Fußball zu tun hat, | |
die den Film „Kick the borders“ einleitet, den der FC St. Pauli am Freitag | |
in den Fanräumen des Millerntorstadions zeigte. Sie erzählt aber viel über | |
die Protagonisten des Dokumentarfilms, die an einem Fußballcamp auf | |
Sizilien teilgenommen haben. | |
Die FC-St.-Pauli-Rabauken, die Nachwuchssparte des Vereins, haben das Camp | |
mit dem Bremer Verein Seehilfe vergangenes Jahr veranstaltet. Das Ziel sei | |
gewesen, die Grenzen zwischen den Geflüchteten und Einheimischen vor Ort zu | |
überwinden und sie in die örtlichen Strukturen zu integrieren, sagte | |
Hendrik Luettmer, Mitbegründer des Arbeitskreises Refugees Welcome vom FC | |
St. Pauli. Er betreute das Pilotprojekt und reiste damals mit drei Trainern | |
der St.-Pauli-Rabauken in die sizilianische Küstenstadt Syrakus. | |
Eine Woche lang trainierten sie dort junge geflüchtete Männer, | |
organisierten ein Spiel gegen den örtlichen Verein und begleiteten die | |
Spieler auch außerhalb des Trainings. | |
Neben den Geflüchteten waren auch vier Italiener im Team, die nicht ganz | |
ohne Vorurteile gewesen seien, sagte einer der Rabauken-Trainer am Freitag | |
nach der Filmvorstellung. Sie hätten Angst gehabt und sich unwohl gefühlt | |
zwischen den afrikanischen Spielern. Ein Indiz für die politische Stimmung | |
auf Sizilien. | |
Seit fünf Jahren versucht der Verein Seehilfe den Menschen vor Ort zu | |
helfen, seit 2016 mit Unterstützung der Arbeitsgruppe Refugees Welcome des | |
FC St. Pauli. Der Film zeigt, wie fatal die Lebensbedingungen vor Ort für | |
die Geflüchteten sind. Es fehlt ihnen am Nötigsten und sie leben isoliert. | |
Zunächst halfen die Vereine mit Warenspenden. Dann entstand die Idee für | |
das Fußballcamp. | |
Es sei wichtig gewesen, mit den Partnern vor Ort auch nach der Abreise das | |
Projekt weiterführen zu können, sagt Luettmer. „Wir wollten nicht dorthin | |
fahren als Profi-Verein, ein tolles Fußballcamp machen und dann wieder | |
verschwinden.“ Dennoch ist es so gekommen. | |
Ein weiterer Besuch sei zwar geplant gewesen. Doch die politische Situation | |
in Italien habe sich verschärft. Luettmer macht die Politik des | |
italienischen Ex-Innenministers Matteo Salvini verantwortlich: „Es war | |
nicht mehr sicher, dass man aufgrund von bloßer Kontaktaufnahme zu | |
Geflüchteten nicht auch verhaftet werden kann.“ | |
Zudem hätten interne Streitigkeiten der Kooperationspartner vor Ort zum | |
Scheitern des ursprünglichen Ziels beigetragen. Ein richtiger | |
Fußballverein, wie es sich die Betreuer des Projekts vorgestellt hatten, | |
wurde nicht gegründet. Zwar kickten einige von den afrikanischen Spielern | |
auch jetzt noch zusammen, sagt Luettmer, doch viele hätten Syrakus bereits | |
verlassen. Wohin, sei unklar. | |
Einer jedoch saß am Freitag mit in den Fanräumen des FC St. Pauli: Sheriff | |
aus Gambia. Er ist seit neun Monaten in Deutschland und arbeitet als Koch. | |
„Er ist der Beweis, dass es gelingen kann“, so Luettmer. Er hofft, mit dem | |
Projekt und dem Film andere Vereine zu ähnlichen Aktionen animieren zu | |
können. | |
28 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Carlotta Kurth | |
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