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# taz.de -- Mietpreisbremse auch für Handwerker, Kitas & Co.
> Die Gewerbemieten steigen und steigen. Deshalb startet Berlin eine
> Bundesratsinitiative für eine Gewerbemietpreisbremse. Aber wie ist die
> Preisentwicklung? Das weiß keiner so genau
Von Lukas Waschbüsch
Auf die Mietanfrage kommt keine Antwort. 4.000 Euro soll die knapp 130
Quadratmeter große Gewerbefläche, der Anzeige zufolge geeignet für
Einzelhandel und Gastronomie, pro Monat kosten. Die Lage ist gut, nahe des
Boxhagener Platzes in Friedrichshain. Und die Nachfrage offenbar auch, am
Folgetag ist die Anzeige aus dem Online-Immobilienportal gelöscht. Auf dem
Bildschirm erscheint stattdessen eine potenzielle Alternative: 6.800 Euro
Kaltmiete für 115 Quadratmeter an der East Side Gallery, knappe 60 Euro pro
Quadratmeter.
Daten von verschiedenen Immobilienanbietern besagen, dass die Gewerbemieten
in Berlin in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich um etwa 200
Prozent gestiegen sind, zumindest in 1-b-Lagen. In 1-a-Lagen ist die
Preissteigerung ebenfalls existent, aber geringer. Dort sind die Preise
ohnehin viel höher.
Welcher Lagekategorie ein bestimmtes Gebiet zugeordnet wird, berechnet sich
etwa aus der Anzahl an Passanten, die täglich in der Gegend flanieren.
Klare Kriterien gibt es nicht: „Die Einteilung in 1-a- und 1-b-Lagen beruht
nicht auf einer amtlichen Statistik oder der Beurteilung eines unabhängigen
Gremiums“, erklärt Ricarda Pätzold, Stadtplanungsexpertin vom Deutschen
Institut für Urbanistik. „Die 1-a-Lage ist jeweils die beste Lage im
Stadtzentrum, daran grenzen die 1-b-Lagen an. In Berlin zählen manche
Immobilienunternehmen sechs 1-a-Lagen, andere kommen auf dreizehn.“
Um der inflationären Gewerbemietensteigerung zu begegnen, will die
Senatsverwaltung für Justiz über den Bundesrat eine Gewerbemietpreisbremse
einführen. Dirk Berendt, zuständiger Senator, hat einen entsprechenden
Vorschlag ausgearbeitet. „Um örtliche Faktoren hinreichend berücksichtigen
zu können, sollte es den Bundesländern ermöglicht werden, Gebiete mit
angespannten Gewerberaummärkten zu bestimmen, in denen die Regelungen über
die Mietpreisbremse anzuwenden sind“, heißt es darin.
Problematisch ist, dass alle Berechnungen zu den Berliner Gewerbemieten auf
Daten privater Immobilienanbieter beruhen. Jährlich präsentieren zum
Beispiel die Berliner Gewerbesiedlungs-Gesellschaft (GSG) und die Grupe
Immobilien GmbH Daten zur Mietenentwicklung. Die Anbieter beziehen sich
dabei nur auf eigene Immobilien – einen Gesamtüberblick bieten sie nicht.
Deshalb ist Pätzold skeptisch, was den Senatsvorschlag angeht. „Wir wollen
eine Mietpreisbremse, obwohl wir gar nicht wissen, wie die Mieten sind. Uns
fehlt das Basiswissen: Wie ist die Gewerbemietpreisentwicklung in der
Stadt? Eigentlich haben wir gar keine Ahnung, auf was wir deckeln könnten.“
Die Berliner Bezirke selbst haben keinerlei Daten zur tatsächlichen
Steigerung der Gewerbemieten in der Stadt. Auf Anfrage der taz teilt die
Bezirksverwaltung von Friedrichshain-Kreuzberg mit, es lägen keine
Erhebungen vor. Auch die Verwaltungen von Mitte, Steglitz-Zehlendorf und
Marzahn-Hellersdorf haben keine Ahnung, wie sich die Gewerbemieten in ihren
Bezirken entwickeln.
Ein Sprecher der Wirtschaftsförderung des Bezirks Spandau sagt der taz
lediglich: „In den vergangenen vier Jahren haben sich fünf Geschäftsleute
mit diesem Problem an die Wirtschaftsförderung gewandt.“ Gewerbemietende
seien bedroht, wenn Mietverträge ausliefen, die VermieterInnen wechselten
oder die Mieten angepasst würden – aber man wisse eben nur von fünf Fällen,
in denen das so sei. Pätzold bringt die Problematik auf den Punkt: Dass
Gewerbemieten immer höher würden, sei zwar bekannt, aber anders als bei
Wohnungsmieten nicht belegbar. „Das ist viel Hörensagen, es gibt ja keine
Statistik dazu. Genau, empirisch, weiß niemand was.“
Die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) sieht das Problem der
fehlenden Empirie ebenfalls: „Genaue Aussagen über verfügbare Grundstücke
und die Entwicklung der Mietpreise sind aufgrund der lückenhaften
Datengrundlage nur schwer möglich.“ Auch die IHK ist deshalb gegen die
Einführung einer Gewerbemietpreisbremse. Vielmehr sei es notwendig, neue
Gewerbeflächen zu schaffen. Der Berliner Senat führt im
Stadtentwicklungsplan Wirtschaft auf, dass noch über 1.000 Hektar
Gewerbefläche in der Stadt verfügbar seien, 420 Hektar davon kurzfristig.
„Eine zügige Aufstellung und Umsetzung von Gewerbeflächensicherungs- und
Entwicklungskonzepten sowie genügend Personal in finanziell ordentlich
ausgestatteten Planungsämtern wären Maßnahmen, die unseren
Mitgliedsunternehmen wirklich helfen würden“, sagt IHK-Präsidentin Beatrice
Kamm der taz.
Die IHK-Mitgliedsunternehmen sind Teil einer sehr heterogenen Gruppe: der
Berliner Gewerbetreibenden. Zu denen gehört der Brillenproduzent in Marzahn
genauso wie die städtische Kita in Mitte oder die Spätibetreiberin in
Kreuzberg. Ihnen fehlt ein echtes Gewerbemietrecht. Doch das ist Sache des
Bunds – deshalb hat ja Berlin die Bundesratsinitiative für eine
Gewerbemietpreisbremse gestartet.
Und weil es keine Erhöhungsgrenzen bei einer Neuvermietung gibt, wie man
sie aus dem Wohnmietrecht kennt, werden in Berlin immer mehr
Gewerbetreibende aus den Bezirken gedrängt. Sie können ihre Miete nicht
mehr zahlen und finden keinen neuen Gewerberaum. „Es gibt eine
Randwanderung von allen nicht besonders zahlungsfähigen Gewerbeleistern –
ein extremes Problem zum Beispiel für das Handwerk, alle wandern in die
Unsichtbarkeit ab“, sagt Pätzold.
Mit der Unsichtbarkeit hat wiederum das produzierende Gewerbe kein großes
Problem – deshalb findet es in weniger zentral gelegenen Bezirken noch gute
Mietbedingungen. Die IHK teilt der taz mit, „vor allem in
Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick“ sehe der Stadtentwicklungsplan
noch vorhandenes Gewerbeflächenpotenzial. Die Zahlen von GSG und Grupe
zeigen außerdem: In Marzahn liegt der Preisschnitt für Gewerbemieten immer
noch bei unter 10 Euro pro Quadratmeter.
12 Oct 2019
## AUTOREN
Lukas Waschbüsch
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