| # taz.de -- | |
| Auf der Frankfurter Buchmesse hat der rechtsextreme Verleger Götz | |
| Kubitschek einen Journalisten als „Made“ beschimpft. | |
| Als Made bezeichnet man eigentlich eine Larve aus der Ordnung der | |
| Zweiflügler, etwa von Fliegen. Maden zeichnen sich durch das Fehlen von | |
| Kopfkapseln und Gliedmaßen aus. | |
| Dass der Journalist gleich mehrere Gliedmaßen hat und auch sonst wenig mit | |
| einer Insektenlarve gemein hat, ist selbst für Hobbyrassenkundler mit | |
| bloßem Auge zu erkennen. Doch die Beschimpfung von unliebsamen Personen als | |
| Made kommt trotzdem nicht von ungefähr. | |
| Schon der Schriftsteller Arnold Ruge sagte im 19. Jahrhundert über die | |
| Juden, sie seien „die Maden in dem Käse der Christenheit“. Im | |
| Nationalsozialismus kamen Tier- und insbesondere Insektenmetaphern – vor | |
| allem für Juden, aber auch für andere als „Volksschädlinge“ wahrgenommene | |
| Personen – zu ihrem vorläufigen Höhepunkt. Neben Maden waren auch Zecken, | |
| Larven, Würmer und Parasiten hoch im Kurs. Auch in Adolf Hitlers „Mein | |
| Kampf“ werden Menschen als „Maden“ bezeichnet. | |
| Auch nach 1945 blieben Tiermetaphern bei autoritären Charakteren beliebt. | |
| Diese richteten sich nicht immer gegen Jüdinnen und Juden, sondern auch | |
| gegen andere als Feinde der imaginierten „Volksgemeinschaft“ identifizierte | |
| Personen. So eben auch gegen die verhasste „Lügenpresse“. Das | |
| antisemitische und biologistische Weltbild (das mit Biologie nichts zu tun | |
| hat) teilt die Gesellschaft in nützliche und schädliche Menschen auf. Bei | |
| Pegida-Chef Lutz Bachmann klingt das heutzutage etwa so: „[Die wahrlich | |
| Guten] sind wir und dann haben wir auf der anderen Seite des Grabens solche | |
| Schädlinge, solche miesen Maden, die sich von der Erwirtschaftung der guten | |
| Seite, also von uns, ernähren.“ | |
| Der sprachliche Rückgriff auf die moderne Naturwissenschaft dient seit | |
| jeher dazu, solches Denken zu rationalisieren und zu legitimieren, während | |
| den als Maden gebrandmarkten Personen ihre Menschlichkeit abgesprochen | |
| wird. Zugleich wird bei der Verwendung des Begriffes Made an den Ekel der | |
| Rezipienten appelliert und so letztlich der Vernichtung dieser Subjekte der | |
| Weg bereitet. Eine Made ist schließlich schnell totgeschlagen, und schade | |
| ist es auch nicht um sie. Alexander Nabert | |
| 22 Oct 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Alexander Nabert | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |