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# taz.de -- Proteste im Irak: Al-Sistani stützt den Aufstand
> Iraks einflussreicher Kleriker prangert Korruption an und stellt sich
> hinter die Protestbewegung. Unterdessen steigt die Zahl der Toten auf
> über 40.
Bild: Trotz Ausgangssperre kam es am Freitag in Bagdad zu Protesten
Amsterdam taz | Am Telefon sagt Ali Amer al-Mikdam, „es ist irre“. Er
klingt erschöpft, erzählt, wie die Armee, die Polizei und Milizen dem
friedlichen Streik diese Woche mit Wasserwerfern, Tränengas und scharfer
Munition begegneten. Der irakische Menschenrechtsaktivist war von Anfang an
bei den Protesten in Bagdad dabei. „Jetzt ist es kein Streik mehr, es ist
eine Revolution“, sagt er.
Seit Dienstag protestieren Tausende Menschen in verschiedenen Provinzen des
Iraks. Mindestens 46 Leute sollen getötet worden sein, darunter auch einige
Sicherheitskräfte. Mehr als 1.600 Menschen wurden verletzt.
In dieser aufgeheizten Stimmung war mit Spannung erwartet worden, wie sich
der einflussreiche Großayatollah Ali al-Sistani verhalten werde. Er stellte
sich in seiner Rede zum Freitagsgebet hinter die Protestierenden, forderte
aber beide Seiten auf, keine Gewalt anzuwenden. Die Regierung kritisierte
al-Sistani dafür, dass sie nicht genug unternehme gegen die Korruption im
Land. Die Politik forderte er auf, Maßnahmen zu ergreifen, „bevor es zu
spät ist“.
Al-Mikdam misst der Rolle des Großayatollahs allerdings begrenzten Einfluss
zu. „Die Leute, die protestieren, folgen weder einer politischen Partei
noch einer religiösen Führung“, ist er sich sicher. „Sie demonstrieren als
Iraker für den Irak.“
Der einflussreiche Schiitenführer Muktada al-Sadr forderte sein politisches
Bündnis unterdessen zu einem Boykott des Parlaments auf. Die Abgeordneten
sollten ihre Aufgaben im Parlament solange niederlegen bis die Regierung
ein Programm vorstelle, das den Wünschen der Iraker gerecht werde, sagte
al-Sadr am Freitag. Seine Koalition hatte bei der Parlamentswahl 2018 die
meisten Sitze gewonnen.
## Ein hochkorruptes Land
Korruption sei das größte Risiko für die Stabilität des Iraks, schreibt
Toby Dodge vom Thinktank Chatham House. Laut Transparency International
liegt der Irak auf dem weltweiten Korruptionsindex an zwölftletzter Stelle.
Milliarden Dollar, die für den Bau von Spitälern oder Elektrizitätswerken
gebraucht werden, versickern, ohne dass die Projekte realisiert werden. Ein
Viertel aller Iraker ist arbeitslos. Dabei könnte der Irak dank seiner
Ölreserven ein reiches Land sein.
Die Protestierenden fordern den Rücktritt von Regierungschef Adel Abd
al-Mahdi. Doch die Probleme, die die Demonstrierenden anprangern, sind
nicht das alleinige Verschulden der aktuellen Regierung. Sie sind die Folge
des politischen Systems, das im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins 2003
implementiert wurde – ein System, das die Macht zwischen verschiedenen
Religions- und ethnischen Gruppen aufteilt, was dazu führt, dass die
politischen Führer unter ihren Anhängern Angst vor der jeweils anderen
Gruppe schüren, während sie gleichzeitig die Ressourcen des Landes
ausbeuten und den Gewinn unter sich aufteilen. Die jungen Leute hätten das
durchschaut, sagt al-Mikdam.
Die meisten Proteste finden in der Hauptstadt und in den südlichen
Provinzen statt – es sind also vor allem Schiiten, die gegen die
mehrheitlich schiitische Regierung demonstrieren. Das zeigt, dass es sich
bei den jüngsten Protesten im Irak nicht um einen konfessionellen Konflikt
handelt, sondern um den Protest einer frustrierten Jugend, die genug hat
von den leeren Versprechungen der politischen Führung. (mit Agenturen)
4 Oct 2019
## AUTOREN
Meret Michel
## TAGS
Irak
Schwerpunkt Korruption
Adel Abdel Mahdi
Schwerpunkt Iran
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