# taz.de -- Luise Land spürt mit Tomate in der Hand einer lebenswerten Stadt n… | |
An einem Ort in Berlin, der vor nicht allzu langer Zeit noch etwas verloren | |
schien und an dem es damals günstige Wohnungen gab, stehen nun weiße, | |
schicke Wohnblöcke. Als „Urbane Mitte“ beworben, entsteht im verbleibenden | |
Freiraum am Gleisdreieck ein hippes Viertel. Sieben neue Hochhäuser und | |
Cafés, in denen sich laut einem Aktivist der Initiative Anonyme Anwohnende | |
keiner mehr den überteuerten Kaffee wird leisten können. | |
Wenn man die eigene Wohnung plötzlich im Internet per Photoshop | |
modernisiert zum Verkauf ausgeschrieben sieht, fühlt sich das nicht so gut | |
an. Wird man kurz darauf mit einer Räumungsklage konfrontiert, ebenfalls | |
nicht, erzählt eine andere Aktivistin, die namentlich nicht genannt werden | |
will, ihre Geschichte, die sie zu der Initiative führte. Als „Anonyme | |
Anwohnende“ wollen die Aktivist*innen am Mittwoch mit einer Aktion im Park | |
am Gleisdreieck Berlins Anwohner*innen repräsentieren. Mit der | |
Katalogstadt, die zwischen Technikmuseum und Potsdamer Straße aus dem Boden | |
schießt, sind sie nicht einverstanden. | |
In orangefarbenen Warnwesten, mit Bauhelmen und Requisiten führen sie die | |
Teilnehmer*innen mit verdeckten Augen in einer selbst konstruierten | |
4-D-Führung durch eine imaginäre Wohnung. Sie fragen, was der eigene | |
Lieblingsplatz in der Wohnung ist oder was man mit einer geschenkten Tomate | |
machen würde. Am Ende bekommen alle eine Tomate in die Hand. Sie soll das | |
Gefühl von Zuhause erzeugen. | |
## Zu spät für Partizipation | |
Er finde „die Idee wichtig, dass man sich gemeinsam Gedanken über die Stadt | |
macht“, sagt Rüdiger Lange vom Planungsbüro der Urbanen Mitte, der zu der | |
Aktion gekommen ist. „Für die Idee der Partizipation ist es hier zu spät“, | |
kontert der Sprecher der Anonymen Anwohnenden. Denn mit der abgeschlossenen | |
Planung sei diese Fläche ein Paradebeispiel dafür, dass es keine | |
Partizipation für normale Anwohner*innen gebe. „Was von der | |
Stadtbevölkerung geschaffen wurde, wurde genommen und verkauft“, sagt eine | |
andere Aktivistin. Außerdem liege die Interpretation von Partizipation beim | |
Bauherren. „Das, was die Stadt gerade baut, ist einfach nicht das, was wir | |
uns wünschen.“ | |
Mit der Aktion wurden die Anonymen Anwohnenden bereits zum zweiten Mal am | |
Gleisdreieck aktiv für eine Stadt, die Berliner*innen gerne ihr Zuhause | |
nennen. Beim ersten Mal im September wurden sie dabei von aufgebrachten | |
Immobilienspekulanten gestört. Diesmal ist Polizei vor Ort. „Wenn man mich | |
fragt, würde ich sagen, das reicht jetzt so. Nur Büros in der Innenstadt? | |
Die können doch an den Stadtrand gehen“, findet eine Teilnehmerin. | |
11 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Luise Land | |
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