# taz.de -- internationales literaturfestival (5): Der lange Weg der Restitution | |
> Bei einer Podiumsdiskussion in der James-Simon-Galerie tauschten sich | |
> Museumsmacher_innen über die Rückgabe von Kulturgütern aus | |
Von Annika Glunz | |
Haben Sie sich als unwissende*r Museumsbesucher*in einmal die Frage | |
gestellt, welche Geschichte ausgestellte Kulturgüter aus ehemals | |
kolonisierten Ländern tatsächlich haben? Kann dieses Relikt wirklich | |
geschenkt worden sein oder handelt es sich nicht doch eher um Raub? Für | |
welche Geschichte stand dieser Gegenstand wohl einmal, als er noch in den | |
Händen „seiner“ Familie war? Was hat er „zu Hause“ den Menschen erzäh… | |
Wie kommt es, dass er jetzt in einem europäischen Museum steht? | |
Ein „dekolonisiertes Museum“ sollte in der Lage sein, diese Fragen zu | |
beantworten. Dabei reicht es bei Weitem nicht, nur die Museen selbst zu | |
dekolonisieren: Mit ihnen müssen sich auch alle Beteiligten selbst in Bezug | |
auf neokoloniale Denk- und Verhaltensmuster kritisch hinterfragen. | |
Diesbezüglich waren sich alle Teilnehmer*innen der Podiumsdiskussion zum | |
Thema „Decolonizing Museums. The State of Restitution“, die im Rahmen des | |
Internationalen Literaturfestivals stattfand, einig. So weit, so gut. Hätte | |
nicht das sechsköpfige Podium selbst fast nur aus weißen europäischen | |
Museumsdirektoren bestanden. „Das ist gerade mein größtes Problem“, sagte | |
Nanette Jocomijn Snoep, Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln | |
und einzige Frau in der Runde, zu Beginn ihres Eingangsstatements: „Wir | |
müssen selbst diese Debatte hier dekolonisieren“. | |
## Rückgabe an wen? | |
Inhaltlich drehte sich die Debatte hauptsächlich um das Thema der | |
Restitution, der Wiedergutmachung also, und insbesondere um die Rückgabe | |
der während der Kolonialzeit entwendeten Kulturgüter. Hier stellte sich | |
bereits die nächste Frage: Wem sollen die Güter zurückgebracht werden? | |
Abdoulayé Touré, Leiter des Musée historique du Sénégal à Gorée, merkte … | |
dass es in Afrika vor der Kolonialzeit gar keine Museen gab: „Die meisten | |
Dinge, die heute in europäischen Museen ausgestellt werden, wurden | |
ursprünglich in den Familien verwahrt. Sie dienten als Hilfsmittel zur | |
Konservierung von Geschichten. Sie haben also nichts mehr mit den Menschen | |
zu tun, die sie genutzt haben“. Und weiter: „Die Museen, die es bei uns | |
gibt, wurden nur gebaut, um die Kolonialherren zu unterhalten. Wenn wir | |
über Dekolonisierung sprechen, sollten wir auch die Struktur der Museen an | |
sich hinterfragen“. | |
Die Umsetzung der Rückgabe der Kulturgüter gestaltet sich indes schwierig: | |
„Wir haben keine offiziellen Anfragen aus den Herkunftsländern“, lautete | |
die Antwort von Lars-Christian Koch, Direktor des Ethnologischen Museums | |
und des Humboldt-Forums in Berlin, und weiter: „Die afrikanischen Länder | |
selbst wollen ja auch in anderen Teilen der Welt repräsentiert werden“. Dan | |
Hicks, Kurator am Pitt Rivers Museum in Oxford, pflichtete ihm bei: „Eine | |
Rückgabe von Kulturgütern an die Massai beispielsweise wäre für uns | |
desaströs, weil sie absolut zentral für die Kolonialgeschichte des | |
britischen Königreiches sind“. | |
Ein weiteres Problem ist, dass die Familien, denen die Objekte ursprünglich | |
einmal gehörten, mittlerweile nicht mehr existieren. Wer also hat die | |
Legitimation, Kulturgüter zurückzuforden? „Ich spreche nur mit | |
Museumsdirektoren anderer Länder“,sagte Guido Gryseels, Generaldirektor des | |
Africamuseum in Tervuren (Belgien). Schwierig, wo es doch sowohl Länder als | |
auch Museen in Afrika erst seit der Kolonialzeit gibt. „Die Gegenstände | |
sollten den jeweiligen Gemeinden zurückgegeben werden. Außerdem sollten | |
Fallstudien unternommen werden, um herauszufinden, wo Gegenstände | |
tatsächlich geraubt wurden und wo es sich um Leihgaben handelt“, schlug | |
Touré vor. | |
Der Prozess von Restitution, Rückgabe von Kulturgütern und damit auch der | |
Dekolonisierung von Museen wird ein langer sein, so viel zeigte sich an | |
diesem Nachmittag. Das Abschluss-Statement gehörte Touré: „Warum vertrauen | |
wir nicht einfach den Afrikanern, dass sie richtige Lösungen für die | |
Zukunft finden können?“. | |
18 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Annika Glunz | |
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